Täglicher Anzeiger für Thun und das Berner Oberland, Band 16, Nummer 196, 19. August 1892 IIIF issue linkLidgeusjseujchüjr. [SECTION]

Lidgeusjseujchüjr.

— Ein englisches Urtheil über schweizerische Institutionen. Herr Charles S. Scott, Mininster von Großbritannien in Bern, hat seiner Regierung einen interessanten Bericht über die schweizerischen Arbeiierverhältniffe eingereicht, der eben im Druck erschienen ist. Am Schlüsse sagt Herr Scott: „Ich habe mich bemüht, die große Leichtigkeit zu zeigen, mit welcher alle Klassen dieses Landes eine gründliche und praktische Berücksichtigung ihrer verschiedenen Interessen und Bedürfnisse veranlassen können; die beiden Hauplfakioren, das Recht der Volksinitiative und des Referendums (kopular veto) haben sich ganz allmälig aus den dem Schweizervolke eigenihümlichen Institutionen heraus entwickelt, welcher Umstand nothwendiger Weise manche ihnen anhängende Nachtheile und Gefahren auf ein Minimum reduzirt. Der Hauptvortheil, den dieselben für die Schweiz besitzen, liegt in der Möglichkeit, die gesetzgebende Maschine ohne Verzug anzuhallen oder selbst Gegendampf zu geben, falls ein falscher Schritt gethan oder eine falsche Richtung in der Gesetzgebung eingeschlagen worden ist. AuS diesen Gründen neige ich mich zu der Ansicht hin, daß die Schweiz bei jeder Untersuchung der Arbeiterfrage oder jedes andern sozialen Problems eine Aufmerksamkeit verdient, die außer allem Verhältniß zu ihrem beschränkten Gebiete, Bevölkerung und materiellen Hülfsmilteln steht, und daß dieses Land eine werthvolle und belehrende Werkstätte für wirthschaftliche Versuche ist, die erst in den verschiedenen Glieder» des Bundes geprüft und im Falle des Erfolges allmälig eine allgemeinere Anwendung finden können. Die gesunde, öffentliche Meinung eines hochgebildeten, freien Volkes überwacht diese Versuche mit großer Aufmerksamkeit; sie ist es, die schließlich darüber entscheidet, ob die Resultate eine allgemeine Anwendung rechtfertigen, und der Entscheid mag fallen, wie er will, so fügen sich demselben ohne Weiteres die höchsten gesetzgebenden und ausführenden Behörden, sowie das ganze Volk." — Maßregeln gegen die Cholera. Der Bundesrath hat in seiner Sitzung vom Montag Morgen die Vorlage des Departements des Innern betr. Maßnehmen gegen die Cholera durchberathen; der Presse werden keinerlei Mittheilungen gemacht. — Eidgen. Bank. Eine zahlreiche besuchte Vorversammlung bernischer Aktionäre der Eidgen. Bank vom Montag hat einstimmig beschlossen: 1. Das Komile hat sein Möglichstes zu thun, daß der Hauplsitz der Bank in Bern bleibt. 2. Als Vorschläge für Ergänzung des Verwaltungsralhes wurden ausgestellt: Herr Gcoßrath Hirtcr, Bern, welcher die Wihl unter

Irer Voraussetzung, daß der Sitz in Bern bleibt, anzunehmen verspricht; Herr d'Epine, Banquier in Genf, und Herr Jules Marcuard, Banqaier in Paris, bisheriges Mitglied des dortigen Aussichtskomitcs — G o t th a rd b a h n. Im Juli wurden 147,000 (1891 : 144,937) Personen, 530 (543) Tonnen Gepäck, 2095 (3708) Thiere und 66,900 (51,306) Tonnen Güter befördert; Totaleinnahme: 1,155,000 (1,107,110) Franken; Betriebsausgaben 685,000 (586,938); Ueberschuß der Einnahmen 670,000 (520,172). Seit Neujahr 1892 : Totaleinnahmen 7,802,715 <7,365,844), Ueberschuß über die Ausgaben 3 Mil. 814,495 (5,515,295). — Vom 13. dieses Monats an ist der Fahrposttarif für Rumänien außer Wirksamkeit getreten. Bis zum Erscheinen des neuen Tarifs sind die Fahrpoststücke nach Rumänien mit Frankozeddeln Zu begleiten. — V o m s ch w e i z. P r e d i g e r f e st. Als nächster Fettort wurde St. Gallen und als Festpräsident Dekan Grob gewählt. — Wettflug. Der Brieftaubcnverein (eine Sektion der ornithologischen Gesellschaft Basel) hat am 14. August einen Wettflug von Neuenburg aus <120 Kilometer Distanz) veranstaltet. Vom Bahnhofvorstand daselbst wurden die 2 zugesandien Körbe mit zirka 80 Tauben um 11 Uhr 35 M. Vorm, in Freiheit gesetzt und trotzdem die hohe Jurakette (zirka 4000' über Meer) zu überfliegen war, kehrten dennoch die Luftsegler sehr schnell nach Basel zurück, wo dieselben im Gesellschaftshaus z. Safran vorgewiesen und von 8 ausgesetzicn Preisen in der anberaumten Konkurrenz Zeit nur 5 solche eingelöst wurden. 1. Preis 1 Uhr 06 M. Taube von L Riggenbach. 2. „ 1 „ 10 „ „ „ R. Kappeler. 3. „ 1 „ 13 „ „ „ I. Zehnter. 4. „ 1 „ 20 „ „ „ F.Wenger. 5. „ 1 „ 22 „ „ „ W. Hässig. — Bundesstadt. Im Privatgespräch betr. Pseudobaron Courtier äußerte sich Bundcsrath Frey dahin, daß das Militärdepartement und speziell er selber in keiner Weise Aeußerungen oder gar Enthüllungen seitens der Presse in dieser Angelegenheit zu fürchten hätten; denn er habe jenem Pseudoobersten kein Empfehlungsschreiben ausgestellt, vielmehr einige höhere Offiziere auf den wenig vertrauenerregenden Eindruck, welchen Couriier gleich Anfangs bei ihm hinterlassen, aufmerksam gemacht. In Anbetracht der Vorzüglichkeit des von dem Genannten angeblich erfundenen Gewehres habe er -allerdings demselben die Erlaubniß ertheilt, in Thun in Gegenwart interessirter Offiziere Schießversuche vorzunehmen. — Der Bundesrath ersucht mittelst KreisschreiSens sämmtliche Kantonsregicrungen um Auskunft über die in ihrem Gebiet bestehenden geschlichen und thatsächlichen Verhältnisse betreff. Aufsicht der Kantone über Fabrikation und Verkauf des nicht bundessteuerpflichtigen Branntweins, sowie über den Handel mit den vom Bunde abgegebenen gebrannten Wassern in Bezug auf die Reinheit der Produkte im Kleinverkauf, behufs Berichterstattung an die Bundesversammlung. Bern. Von der außerordentlichen Fruchtbarkeit dieses Jahres zeugt u. A. eine Kartoffel von 625 Gramm Gewicht, die nebst andern „Kolleginnen" gleichen Kalibers bei Burgdorf ausgegraben worden ist. — Bern. (Hj Korr.) Besser als man es erwartete, nahm die Abrechnung über das schweiz.

Grütliturnfcst ihren Abschluß. War auch der erste Festtag (30. Juli) kein sonderlich günstiger, so ließ sich der Sonntag und Montag gut an. Es ist daher ein erfreulicher Einnahmen-Ueberschuß. Was in der Kompetenz des Organisationskomites lag, wurde beschlossen, 150 Fr. dem Samariterverein, 50 Fr. der städtischen Polizeikcankenkasse und 150 Fr. für die Fecienversorgung erholungsdürstiger Schulkinder. Der Rest fällt dem Grütliverein za, der auch das Risiko übernommen und im Falle eines Defizits dasselbe hätte tragen müssen; somit ist auch die Hauptversammlung in der Lage, noch weitere Vergabungen machen zu können. Hr. Dr. Brunner, Ehrenpräsident, sprach dem. Organisationskomite den Dank für das gute Gelingen des Festes aus, und es wurde bewiesen, daß Ordnung, Disziplin bei freudiger Arbeit möglich seien. Auch den hiesigen Turnvereinen wurde ihre Betheiltgung verdankt. — Der Gemeindera h der Stadt Bern hat zum Mitglied des Verwal ungsrathes des Gewerbemuseums an die Sielle des Hrn. Huber Gemeinderath Siegerist gewählt. An das Fest des Schwingervereins der Turner wurde ein Beitrag von 200 Fr. bewilliat. — Konolfingen. Mit der Tieferlegung der Kiesen zwischen Konolfmgen und Zäziwyl wird in Kurzem begonnen. Diese Korrektion wurde nochwendig, weil besonders der Zäzibach, dessen Verbauung letztes Jahr zu Ende g führt wurde, sein Geschiebe im Kiesenkanal ablagerte. — In Langenthal ist im Alter von Jahren Hr. Siegfried Spychigex in Folge einer Blutvergiftung gestorben. Als Militär hervorragend tüchtig und geschätzt, stieg er von Grad zu Grad und seine älteren Waffenkameraden vom Jahr 1870, des ehemaligen Oberaargauer-Batail-lous 43 (später 38), werden sich gerne erinnern an ihren Aidemajor und rasch beförderten Major Spychiger, welcher 1870 bei der Grenzbesetzung des Rheins, wo Hr. Kommandant Nöthlisberger das Bataillon kommandirte, so thätig war. -- Letzten Sonntag fuhr Käsehändler Daniel Lehmann in Langnau mit Pferd und Fuhrwerk spazieren; er hatte auf letzterem noch vier Knaben. Beim sogenannten „Feldlein", zwischen Langnau und Schüpbach, scheute das Pferd vor einem Fuder Emd und machte sofort Kehrt, wobei Herr Lehmann aus dem Fuhrwerk geworfen wurde, doch ohne Schaden zu nehmen; sein fünfjähriges Söhnlein, das neben ihm gesessen, glaubte dem Vater folgen zu müssen und warf sich aus dem Fuhrwerk, fiel aber so unglücklich, daß es einen doppelten Schädelbruch erlitt und nun in einem Hause in der Nähe der Uuglücksstäite gepflegt wird, doch ohne viel Hoffnung auf Rettung. Während nun das Pferd in schnellstem Laufe wieder Langnau zueilte, sprang noch ein zweiter Knabe ab, ohne sich zu verletzen, die zwei andern blieben auf ihren Plätzen, bis das Pferd ohne weitern Unfall wieder in Langnau anlangte. — Aus dem vor zirka zwei Jahren gegründeten „Emmenthalischen Käsereigenossenschafts-Verband" ist nun eine Aktiengesellschaft des emmenthalischen Käsereigenossen-schafts-Verbandes geworden. Immer dieselbe Entwicklung, resp. Ausartung; denn daß der gesunde Grundgedanke damit aufgegeben ist, wird, wer es heule noch nicht glaubt, nach ein paar Jahren schon gewahren. — GSrrkaud. Im Kurhaus St. Beatenberg erwartet man auf nächste Woche hohe Gäste. Ba-

ron Rothschild aus Frankfurt wird mit seiner Familie und Gefolge eines der Chalets des genannten Etablissements beziehen, um längere Zeit daselbst zu verweilen. Augenscheinlich wird der Luftkurort von Jahr zu Jahr auch in hohen Kreisen bekannter. Zürich. In Außersihl schoß sich letzten Montag ein junger, 24jähriger Mann aus Zorn darüber, daß ihm seine Frau erklärte, sie könne ihn nicht mehr lieb haben, eine Kugel durch den Kopf. Die Kugel drang beim rechten Auge ein, das verloren ist, ging durch den ober« Theil der Nase durch und unmittelbar unter dem linken Auge durch, dasselbe ebenfalls schwer verletzend. Der Unglückliche wurde sofort in den Spital verbracht; er wird mit dem Leben davon kommen, aber wahrscheinlich das Augenlicht verlieren. — Der Große Stadtrath hat in seiner Dienstagsitzung die Pläne für den Bau des Landesmuseums, des Gewecbemuseums und der Kunstgewerbeschule in der P'.atzpromende genehmigt und der politischen Gemeindeversammlung die Bewilligung des erforderlichen Nachtragskredites von Fr. 380,000 zu empfehlen beschlossen. Luzern. Die Nachfrage nach Villen und Miethwohnungen in der Umgebung der Stadt Luzern war noch selten so rege, wie dieses Jahr. Für einzelne größere Villen sollen laut „Vaterl." bis 4000, ja bis 7000 Fr. Miethpreis erzielt worden sein. Namentlich sind es französische Familien, die immer mehr vorziehen, mit ihrem ganzen Haushallbestand in Luzern ihre Sommerfrische zu suchen.

Baselland. Betreffend die Untersuchung über die Katastrophe von Mönchenstein wird aus den Verhandlungen des Negierungsrathes berichtet; „Nachdem auch der deutsche Text des Gutachtens von Ingenieur Nöthlisberger in Turin eingelangt ist (der französische Text ist bereits zu Anfang des Monats August eingetroffen) wird derselbe dem Staatsanwalt zugestellt, damit er zu Händen der Ueberweisungsbehörde Antrag stelle über die Erledigung der strafrechtlichen Untersuchung der Mönchensteiner Eisenbahn-Katastrophe." Es war ein Zeitraum von einem Jahr und zwei Monaten nöthig, bis man nur so weit kam!

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