Neue Zuger Zeitung, Band 31, Nummer 89, 8. November 1876 IIIF issue linkSchweizeeischeC [ARTICLE]

Schweizerisches.

— Her Gesammtprivatschaden (bezüglich der Wasservcrheerung) in der ganzen Schweiz ist aus 9,220,242 Franken berechnet Die Liebesgaben helausen sich b>S heute aus 1,550 000 Fr. und werden voraussichtlich 1,600,000 Fr, erreichen. Als Antheil an den Liebesgabe» sür Privatscbadcn sind 16 Prozent berechnet. Handel und Gewerbe. Die deutsche „Rcichsbank" diSkoniirt nur solche Wechsel, welche das Wort „Reichsmark" nul der richtigen Orthographie tragen. Ein Wechsel, der jüngst von einem -Florentiner Hause auf Berlin g-zogcn war, wurde einzig deßhalb zurückgewiesen, weil die darin angegebene Summe als „Marc" und nicht als „Mark" bezeichnet war. Das handeistreibende Publikum sich hiernach richten. V

— Zuläßigkeit unverschlossener Fahrpoststücke. In Ergänzung des 8 53 der Instruktion zum Fahr: posttaris Nr. 1 (Schweiz) theilen wir den Poststellen mit, daß im Innern der Schweiz Fahrpoststücke ohne Werthangabe auch unversiegelt befördert werden können, wenn im Uebrigen deren Verpackung hinlänglich solid ist und (;. B. durch gute Verschnürung) den Inhalt gehörig zusammcnhält, so daß ein Abgang am letztern aus dem Transporte nicht eintreten kann. Bezüglich des Verschlusses von Fahrpoststücken nach dem Auölande gelten nach wie vor die in den betreffenden Spezialtarifen enthaltene» Bedingungen.

— Sowohl Italien und Deutschland, als auch die Nordost und Zenlralbahn haben ihre SubventionS quoten an die Gotthardbahn sür das vierte Baujahr bereits einbezahlt. — Die schweiz. Bischöfe erlassen eine Kollektiv erklärung gegen den altkalholischen BischosSschwindel. — Für das schweiz, Militärwesen sollen im Laufe des nächsten JabrcS c rca 13 Mill, Franken verwendet werden.

Bern. Letzten Sonntag predigte R e i n/ e n s in der altkatholischen Kirche in Bern. Dieser preußisch katholische Agent will nun die Schweiz durchwanvcrn, Zürich. Auch Zürich soll seine Börse bekommen, Die Vorarbeiten zum Beginn des BörscnbaueS werden nächster Tage durch Sondirung des Baugrundes beginnen. Die Vcrebnung des Baugartenhügelö soll bis zum 31. März 1877 zu Ende geführt werden. Die Ausführung des Baues ist den Herren Architekten Müller und Ulrich übertragen. Der Schwindel ist noch nicht groß genug, er muß vermehrt werden.

— Von Lüneburg aus wurde ein gewisser Foht wegen Diebstahl steckbrieflich verfolgt. Der Polizeikommissär von Lüncvillc und ein Begleiter setzten dem Dieben persönlich nach, verloren aber in Olten dessen Spur. Weil sie nun aber in der Schweiz waren, wollte der Herr Kommissär wieder einmal Zürich sehen und namentlich die berühmte Utobahn befahren. Er stieg im Falken ab — und siehe da, der Herr Schelm logirte auch gerade dort und wurde vom Polizeikommissär gebührend begrüßt. Die Altkatholikcn in Zürich scheinen nicht nur mit den MuttergotteSfesten, sondern auch mit andern kirchlichen Festen aufräumen zu wollen; aus Allerheiligen war in der ultkatholischcn Kirche kein Gottesdienst angezeigt. Sie denken wahrscheinlich, die Heiligen haben doch nicht ihrer Kirche angchört und eigene Heilige werde cs bei ihnen auch nie geben. Luzern. Hier sind zwei traurige Selbstmorde zu verzeichnen. Am 3. November Abends erstach sich in seiner Wohnung ein noch junger Mann, Namens

L. Egger, und am 4. November Morgens ca. 8 Uhr erschoß sich in der Halle, welche die Hofkirche umgibt, eine Frau Fenner Hermann, kaum Anfangs der Zwanziger stehend. Motive seien beidseitig Liebesgram und sollen die traurigen Entschlüsse mit einander im Zusammenhang stehen, (Vaterland),

— In Pfass»au starb Andreas Winterberg. Mit Recht verweigerte ihm der Pfarrer die kirchliche Begräbnißseierlichkcit, gestützt darauf, daß Winterberg seit wohl mehr als 20 Jahren die Osterandacht nicht mehr verrichtet, an Sonn- und Feiertagen die Kirche nie besucht, seine Kinder in keinen christlichen Unterricht mehr geschickt, daß er ein offenkundiger Lästerer war, seinen Unglauben öffentlich an den Tag gelegt und die Sterbsakramente nicht mehr verlangt hatte. Da die Anverwandten auf Abhaltung auch eines kirchlichen Begräbnisses verharrten, so nahmen die Häupter des Liberalismus ihre Zuflucht zum alt katholischen Pastor in Olten, dieser erschien aus dem Kirchhofe und „segnete die Leiche ein." Am Ende hielt er nach protestantischer Weise natürlich auch eine Grabrede mit Liebeserklärungen und zarten Ausfällen, Der Festredner stellte den Verstorbenen als nachahmungswürdiges Beispiel hin. „Er war ein Ehren, mann", sagte er, „folgen wir seinem Beispiele nach." Winterbcrg war im wahren Sinne ein Altkalholik: in seiner Jugend mochte er Katholik gewesen sein. Anwesend waren neben einigen schaulustigen Schulkindern und Weibern kaum ein Dutzend Männer, — Mit Genugthuung theill das „Luz. Tagbl." die Nachricht mit, es werde der Stadlrath von Luzern dem dortigen größern Stadtrath den Antrag hinterbringcn, die Subventionsrate sür daS vierte Baujahr des Gotthardtunnels einzubezahlen. Mit Rücksicht darauf, daß der Kanton Luzern mit der gcsammten Mittclschwciz am Schicksale deS Gotthardbahnunternehmens zu sehr bethciligt sei, als daß es in seinem Interesse liegen könnte, die ohnehin schwierige Lage noch zu verschlimmern und sür die übrigen schweizerischen Subvenienten ein leidiger Präjudiz zu schaffen, wird zugleich die Hoffnung ausgesprochen , daß der NegierungSrath im gleichen Sinne Vorgehen werde. Uri. An der letzten außerordentlichen Landsgemeinde, welche die neue Verfassung verworfen, hat auch ein Bauersmann von Silenen eine Rede gehalten; er meinte: „Mier wänd nid NüwS; iseri Herrä vor dra sind jez feiß uno mer wäad nid wieter nüw Mager afa mestä." Schwyz. Muotathal. Die Wetterpropheten aus dem BisiSthal geben betreffend die Witterung deS bevorstehenden Winters Folgendes kund: durchweg ganz gelinder Winter/' bis gegen März sehr wenig Schnee, wie selten, aber ein zäher, ziemlich später Frühling, wovon die Viehbesitzer gefälligst Notiz nehmen wollen. Ein schändlicher Mordansall hat letzten Mittwoch Abends stattgefunden und zwar von Seite eines — Polizeidicners. Die „Schwyzer-Zeitung" erzählt den Vorfall also: „Mittwoch Abends kam Karl Rickenbacher vom Dorfbach, Ausläufer bei der „Schwhzcr-Ztg.", mit zwei Italienern, wovon der eine sein Schwager ist, in die Wirthschast Jneichen an der Herrengaffe, Kaum waren die drei abzesessen, wurden sie von dem anwesenden Landjäger Krieg angefahren. Dieser verlangte von dem einen Italiener zu wissen, wo er arbeite, ob er Schriften habe rc. Dieser Aufforderung glaubte der Italiener mit Recht nicht Nachkommen zu müssen, denn ein ruhiger Bürger, spreche er deutsch oder italienisch, ist nicht pflichtig, Abends 10 Uhr angcstochenen Landjägern Rede und Antwort zu stehen. Landjäger Krieg wurde in seinem Auftreten in deß von dem bekannten Landjäger Theiler in grober und unfläthiger Weise unterstützt Nickenbacher wehrte sich in ruhiger Form für seinen Schwager und wurde dabei von Theiler wiederholt herausgcsordcrt.. Dem Wirth, wie seinen Töchtern wurde daS Benehmen der Landjäger, welche auch meinten, sie zwei hätten die Polizeistunde zu geb eten, so widerwärtig, daß sie denselben entschieden daS Lokal verwiesen.

Rickenbacher hatte eben mit seinem Schwager und zwei Schriftsetzern daö Lokal verlassen, als auch die beiden Wächter des Gesetzes auf die Straße traten.

Kaum herausgetreten, waren Krieg und Nickenbacher handgemein geworden. Da zieht Theiler seinen Revolver, hält die Mündung an die rechte Seite Rickenbachers und drückt ab. Ein dumpfer Knall ! — Rickenbacher fühlt zuerst wenig Schmerzen, bleibt aufrecht stehen und sagt: „Hast du blind geschossen?" Inzwischen springt ein in unserer Ot'fizin angestellter Schriftsetzer herbei, verweist dem Theiler daS Schießen, da schießt Theiler zum zweiten Mal, ohne denselben zu treffen. Fast gleichzeitig aber fühlt Rickenbacher große Schmerzen, er ruft, er sei geschaffen und wird von den Anwesenden in die nahe Wirthschast deS Hrn. Coiffeur Anna gebracht. Hier sinkt er sprochloS.zusammen und der herbeigerufene Arzt erklärt seine Wunde als gefährlich. Noch in der späten Nacht wurde er auf einer Tragbahrein seine Wohnung gebracht, wo er hoffnungslos darnicderliegt." Sollen wir nun an diesen peinlichen Vorfall weitere Bemerkungen knüpfen? Sie drängen sich wahrscheinlich Jedermann von selbst auf, meint die „Schwyzer Zeitung," Solothurn.' Wie Luzern und Bern, so will auch die Regierung von Solothurn den KantonSrath darüber entscheiden lassen, ob die vierte Jahresrate an die Gotthardbahn einbezahlt werden soll oder nicht. — Die Negierung hat dem Begehren der Altkatholiken von Schönenwerd um Mitbenutzung der dortigen Stiftskirche entsprochen, unter der Bedingung jedoch, daß dadurch der bisherige röm.-kath. Gottesdienst nicht beeinträchtigt werden solle. Wie schlau! Schaffhausen. Der Regierungsrath will einen Kurs abhalten lasten für Gärtner und Gärtnerinnen, damit sie den Gemüsebau recht lernen können, namentlich für feinere Sorten von Gemüsen für Gasthöfe, welche fast immer um theureS Geld aus Paris und Italien bezogen werden müssen. Die Regierung meint, daS könnte man im eigenen Lande verdienen, Boden und Sonne seien ja vorhanden, wenn es die Leute nur anzugrcifen verständen, — Pfarrer Bohrer schien nach längerem Schwanken nun doch von der römisch-katholischen Kirche abgefallen zu sein — der schon wieder zerfallenden Kirche Augustin Kellers nach. Allein er hat die Altkatholiken wieder enttäuscht, indem er in der GcncffenschastSversammlung und auf der Kanzel seinen Jrrlhum widerrief und sür das gegebene Aergerniß um Verzeihung bat.

Aargau. Die Aaraucr haben einen ganzen Tag ihre Gemeinderäthe gewählt und finden nun schließlich, daß sie deren acht haben anstatt nur sieben. Nun Anfrage an die Oberbehörde: „Was machen?" Todtschlagen darf man doch keinen.

— Baden. Bezüglich dcö diesjährigen WeineS sind als Durchschnittspreise zu notircn: Badener (Goldwändler) 100 Fr. per Saum, Wettingcr Fr. 90, Würenloser, Birmcnstorfer rc. 65 Fr. Im Kl. Zürich, z. B. in Buchs, Därikon wurde der Saum zu 35 bis 40 Fr. verkauft. Im Kanton Zürich gab cS sehr viel Wein, dagegen in unserm Bezirk nur die Hälfte des Vorjahres. Thurgau. Da hätte es bald auch bös gehen können! Bekanntlich hat der BundeSrath die Thurgauischen Bataillone 73, 74 und 75 aus'ö Piket gestellt, um nöthigcn Falls in Tessin Frieden zu bieten. In diesen drei Heerschaaren waren auch ungesähr 50 Lehrer eingethcilt und es wären also im Kriegsfall 50 Schulen stille gestanden. Da hat aber der wahlweise NegierungSrath sofort beim Vater BundeSrath angefragt, ob es sich nicht auch machen ließe ohne die Schulmeister? Der Vater BundeSrath antwortete sofort: er wolle eö in GotteS Namen probiren ohne die Schulmeister. Genf. Das zweite Kirchcngebot. Die Regierung hat den katholischen Gemeinden bekanntlich altkatholische Pfarrer aufgchalSt; aber Niemand will

zu ihnen in die Kirche kommen. Die Altkatholiken sind bekanntlich auch nicht die heißesten, wenn eS in Amt und Predigt läutet. Nun haben sich die Liberalen einer Gemeinde verabredet: wer am Sonntag nicht in die Messe komme, der müsse Fr. 1. 50 Strafe bezahlen! Also auch ein zweites Kirchengcbot, nur zeitgemäß auSgedrückt. Es kommt doch noch, daß die Herren Allkatholiken auch die OÜerbeicht unter der Strafe der Ercommunication gebieten; gerade wie der Papst in Rom. Und diese Leute wollen Alles besser machen und besser wissen, als die katholische Kirche. — Ter Gemeindcralh von Genf hat den verlariylen Nachlragskredit von 2 200000 Fr. für den Ausbau des Theaters bewilligt. — Das gibt eine theurc Komödie.

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