Der liberale Alpenbote, 10. Juni 1857 IIIF issue link532 [ARTICLE]

532

er mich auf , ihn ein Stück Weges zu begleiten . Ich er » widerte ihm , ich müsse nach Hause und meine Ratten heimtragen ; aber er versprach mir weit mehr zu bezahlen , als meine Ratten werth seien , und gab mir zu verstehen , Wenn er mir nicht mißfalle , so kömile ich es bei ihm gut bekommen , denn er wolle mir wohl .. Diese Andeutung weckte plötzlich die ganze Thatkraft meiner Seele uud einen gewissen Ehrgei z , denn ich halte mich schon lange meiner armselige » Lage geschämt und mich nach einer minder schmutzigen und verachteten Beschäftigung gesehnt Dieser letzte Wink des fremden Herrn erfüllte mich » nit einer neuen Hoffnung , und ich erklärte , daß ich ihm folgen wolle . Nun ging er mir voran in einen schönen Gasthof in der Nue St . Denis , ein wahres Hotel , und führte mich in ein Privatzimmer , wo eine große Lampe brannte . In meinen » ganzen Leben » var ich noch nie in einem so prächtigen Zimmer gewesen , und ich hätte eine ganze Stunde dastehen und die herrlichen Gegenstände um mich her betrachte » können , weun rer fremde Hcrr mich nicht angeredet haben würde . Nun ward ich erst veranlaßt , auch ihn näher in s Auge zu fassen . Er » var ein schr hübscher Mann von ungefähr fünfunddreißig Jahren , sehr elegant und reich gelleiret und von feinem , cinneh » » nenrem und anmuthigem Benehmen .

„ Flavicm , Hub er an , nachvem er mich eine Weile aufmerksam betrachtet und alle meine Lebensschicksale aus meitiem Muure erfahre » hatte , „ Flavian , ich habe Dich schon seil mehreren Tagen beobachtet , und ich glaube , Du bist gerare der Kuabe , den ich brauche . Wenn ich mich nun erbiete , Dich gut zu bezahlen und vor jedem Schaden und Nachlheil zu schützen . — willst Du alsrann Alles thuu , was ich vo » Dir verlange , und mir unbedingt und ohne Fragen gehorchen ? Da siel mir plötzlich ein , was mir die alle Barbe noch kurz vor ihrem Tode gesagt hatte . „ Flavian , sagte sie , wenn Du willst raß es Dir im Leben gut gehe , so Hanole niemals gegen Deinen Willen , laß Dich anj Nichts eiu , wovon Du nicht das Ende absiehst , uno wage Dich nie an einen Ort , aus » reichem Du de » Ausweg nicht wieder zu finden wüßtest . Daran dachte ich jetzt , und antwortete daher dem Herrn : ich wolle gerne für ihn arbeiten , könne ihm aber nicht versprechen , irgend etwas zu thun , ras ich nicht vollständig begreife . „ Aber Du kannst vermulhlich schweigen und ein Geheimniß bewahren , nicht wahr ? fragte er . „ Seyn Sie ganz ruhig , erwiderte ich ; „ was ich verspreche , das » verde ich immer irculich halten ! „ Dann passe st Du ganz für mich , sagte er . „ Ich habe eine seltsame Aufgabe für Dich . Du weist also wirklich nicht , wer Deine Eltern waren ? „ Nein , Herr , gewiß nicht ! „ Gut ; für heule kannst Du hier schlafen , und morgen früh werde ich Dir dann sagen , womit Dein Geschäft beginnen soll !

„ Aber Gordian wird mich schlagen , wenn ich die ganze Nacht ausbleibe , wandte ich ein . „ Sei deßhalb ganz außer Sorgen , mein Junge , gab mir der Fremde zur Antwort . „ Ich gebe Dir mein Wort , daß Dein Meister Dich nicht schlagen soll , ja , vielleicht wirst Du gar » licht mehr nöthig haben , zu ihm zurückzukehre » . Wen » Du mir gefällst und Deinen Auf « lrag gut ausrichiest , so werde ich Dich wahrscheinlich in meine Dienste nehmen ! Hiemit beschwichtigte der Fremde alle meine Belli , ch » » ungen , und ich willigte nun endlich ein , die ganze Nacht bei ihm zu bleiben . Er ließ mir ei » treffliches Abend

brot » auftragen und führte mich dann in ein Schlafzimmer , » vo das Bell stand , worin ich schlafen sollte ; wenn ich mich niedergelegt , solle ich , sagte er , das Licht ausblasen . Sobald er mich verlassen hatte , sah ich » nich in dem Zilnmcrchen um , belrachtete mir die Wände uno das Vctt , und fürchtete mich beinahe , mich in ei » so schönes Ding hineinzulegen , wie dieses Bett » var . In meinem Leben halte ich » och keinen solchen Haufen von schwellenden Kissen und Polstern und leichten Fedcrdecken , keinen solchen Lurns von schneeweißen Laken und gesteppten seidenen Decken gesehen . Allein ich war müde und be « sann mich nicht lange . Rasch zog ich meine zerlumpten Kleider aus , kroch in das weiche Bett und fiel bald in Schlaf . Ich wäre ermüdet genug gewesen , um gesund zu schlafe »; allein die sellsamen Erlebnisse dieses Äbenrs erhielten mich im halben Traume , und so war ich ver » muthlich weniger zu festem Schlafe geeignet . ( Fortsehnn « folgl . ) Neue Berichte . Großer Rath . Wahl dcs Kantonsgerichts : P . C . Plan !« Präsident , Pcterllli , Gaud . Salis , Vrosi Ganzoni , Steiner , Louis Vieli , Romcdi , Iosti . Assessoren der Spnodc : Prof . Gredig , Bundsstatthalter Beeli , Vundsstatthalter Brosi . — Hr . Kursinspektor Romedi erhielt von dcr Czarin einen Vrillantring als Anerkennung seiner trcfflichcn Anordnungen bci Oclegcnheit dcr Weiterreise der hohen Dcnne und ihres Convois .

Anzeigen

Der Unterzeichnete zeigt hiemit an , daß er sich in Thusis niedergclaffeu hat und Advokaturen , sowie Gommissions ^ eschä fte jeder Art , namentlich auch Einzüge und schriftliche Arbeiten übernimmt . Sein Bureau befindet sich im Hause des Hcrrn Landammann Jos . Camastral . Thusis , den 3 . Juni . 857 . Sebastian Hunger , Anwalt .

Vorherige Ausgabe

Alle Ausgaben dieser Publikation durchblättern.

Nächste Ausgabe

Vorherige Suchergebnis

Zurück zur Ergebnisliste

Nächste Suchergebnis

Vergrössern / Verkleinern

Rechtsklick auf einen Artikel um weitere Optionen anzuzeigen

Qualitätskontrollmodus aktivieren

Ausschneiden starten

Vergrössern

Verkleinern