Eidgenössische Zeitung, Nummer 254, 12. September 1856 IIIF issue linkNeueres. [ARTICLE]

Neueres.

Die B ächteten bei Bern hat so eben ihren 17ten Jahresbericht eröffnet. Sie blüht und gedeiht unter der hingebenden Leitung ihrer Vorsteher, daß es eine Freude ist. Möge es ihre jüngere katholische Schwester, die nun bald ins Leben tritt, ihr nur in Allem gleich thun. Auch dieses Jahr verlor die Bächtelen einen ihrer ersten Vorsteher, den ehrwürdigen Tscharner, aber in die Lücken treten stets frische Männer, wie in der Schlacht: die Gemeinnützigkeit stirbt nicht aus. Den schweren Brandschaden, den sie erlitt, haben wir schon voriges Jahr gemeldet; durch ihre energische Oekonomie konnte sie ihn ohne außergewöhnliche Hülfe verwerchen. 44 Zöglinge waren letztes Jahr in der Anstalt: von Zürich wurden 8 neue Zöglinge aufgenommen, wohl in Anerkennung der freiwilligen Beiträge, die aus diesem Kanton immer am reichlichsten fließen. Der landwirthschaftliche Unterricht bewährt sich fortwährend als das beste Erziehungsmittel. Vagabunden wurden grundsätzlich aus der Anstalt ausgeschlossen. Die Physiognomie der drei Familien, aus denen sie gebildet ist, wird anschaulich so geschildert: »Wen« die eine Familie der Zöglinge mehr Rüstigkeit, verbunden mit einer gewissen Derbheit, an den Tag legt, während bei der andern mehr Heiterkeit, Freundlichkeit und Gefälligkeit vorwiegen, welche Eigenschaften jedoch einige Oberflächlichkeit im Gefolge haben, und wenn endlich die dritte — etwas unbeholfen — sich erst noch zur beharrlichen Arbeit gewöhnen muß, so wirkt doch Alles bei der Arbeit einträchtig zusammen. In geordneter Rührigkeit, ohne Lärm und Gezänke, mit einer Art festlicher Freudigkeit wurden die sogenannten »großen Werke« (Ernte, Heuet :c.) verrichtet, so daß man sich verwundern mußte, wie schnell die Arbeit durch die geringen Kräfte des kleinen Arbeiterschwarms bewältigt wurde.« — Was die Erziehungsresultate betrifft, so bestätigte sich im Ganzen die Wahrnehmung, daß von den entlassenen Zöglingen drei Viertel als rechtschaffene und ordentliche Menschen sich bewähren, und ein Viertel wieder ins Schwanken geräth oder aus die alten bösen Wege zurückkehrt. Doch find mehrere Fälle bekannt, daß bei Solchen, die sich wieder einem schlechten Lebenswandel ergaben, wenn sie durch richterliche Strafen oder sonstige Prüfungen getroffen wurden, dann doch der ausgestreute gute Saamen, der unter den Dornen erstickt schien, wieder aufging und für die Zukunft bessere Früchte verspricht/ Das Publikum gedachte der wohlthätigen Anstalt wieder mit der schönen Summe von über 11,000 Fr., die an Legaten und Steuern eingingen. — Westlicher Truppenzusammenzug. Oberst Bourgeois hat am 8. d. einen Tagesbefehl an seine Division erlassen, worin er ihnen sagt, daß der Zweck der Vereinigung sei : sich in Feldmanövern zu üben, wie sie bis jetzt bei uns in dieser Ausdehnung noch nicht betrieben worden feien. Die kombinirten Manöver sollen Offizieren und Soldaten ein möglichst treues Bild geben von dem, waS sich vor dem Feind ereignet. Er mahnt sie, auf Entbehrungen und Mühen gefaßt zu sein: weder auf Regen noch Sonnenschein komme es an : ihr einziger Kompaß sei die Vervollkommnung ihrer Instruktion. Uebrigens haben die Neuenburger Ereignisse den Zusammenzug etwas gestört: die Leute wären lieber nach Neuenburg marschirt.

— Die Angabe, daß die »fremde Diplomatie« Schritte thue, um die Veröffentlichung gewisser, hohe Personen kompromittirender royalifiischer Aktenstücke zu hintertreiben, wird von der Berner- Z. als unrichtig erklärt. — Aus die schriftliche Rechtsverwahrung des Herrn v. Sydow antwortete der Bundesrath, daß er dieselbe nicht annehme und die GegenVerwahrung des Vorortes vom 6. März 1848 wiederhole. Zugleich drückte er sein Bedauern aus, daß Herr v. Sydow den jetzigen Auaenblick zur Wiederholung jenes Aktes gewählt habe. Auf die mündlichen Vorstellungen erwiderte der Bundespräsident genauer : Empfehlungen von Milde sei die Schweiz am allerwenigsten im Falle von auswärtigen Regierungen anzunehmen, da sie über politische Verbrechen und Vergehen die humanste Gesetzgebung der Welt befitzt, und was den Gang der Untersuchung betrifft, so werde einfach dem Recht und der Gerechtigkeit ihr Lauf gelassen und eine diplomatische oder internationale Einmischung darauf nie zugegeben werden. Nach dem »Bund« ist der Gesandte bereits wieder abgereist — aber jedenfalls, um wieder zu kommen. — Der Neuenburger Streich wird auch von der englischen Presse verurthetlt. So sagt die »Times«: »Ein kaum ernstlich zu nennender Versuch ist gemacht worden, um den Schweizerbund zu zerreißen und einen Theil der Schweiz der preußischen Monarchie einzuverleiben. Diese Geschichte ist zu absurd und scheint geendet zu haben wie ein toller Streich. Es bleibt nur noch übrig, die Insurgenten adzuurtheilen. Das Urthei! dürfte streng ausfallen, denn es ist Blut vergossen worden Es scheint fast unglaublich, daß der wildeste Fanatismus einen solchen Versuch gemacht hat, wenn er nicht im voraus der geheimen Sympathie und später des Beistandes jener Macht versichert war, zu deren Gunsten er handeln wollte. ... Wir haben das Vertrauen , daß die schweizerischen Behörden bei dem Urtheil sowohl die gesunde Politik als die Menschlichkeit berücksichtigen und die Gerechtigkeit durch Milde mäßigen werden. Strenge gegen eine so lächerliche Bewegung wäre unpolitisch, nachdem die Ruhestörung und die Gefahr vorüber find.« S t. G a l l e n. Das katholische Großrathskollegium hat mit 46 gegen 44 Stimmen den Entwurf zur Gründung einer paritätischen Kantonsschule mit folgenden, von Herrn Nationalrath Müller vorgeschlagenen Modifikationen angenommen: 1. Fortbestand der katholischen Realschule in St.Gallen. 2. Der Kantonsschulrath theilt sich in kirchlichen und religiösen Dingen in zwei Sektionen. Jede Sektion belorgt allein die Wahl der Religionslehrer und bestimmt die Religionslehrbücher im Einverständniß mit den kirchlichen Oberbehörden. 3. Das Pensionat bleibt für die Katholiken ebenfalls fortbestehen. Der Antrag, das Lehrerseminar für Katholiken allein fortbestehen zu lassen, wurde durch Präsidialentscheid verworfen. Tags darauf hat endlich auch der Große Rath die Uebereinkunft mit 96 gegen 47 Stimmen sanktionirt. Die St.Galler-Z. schießt »Viktoria«. Es soll uns herzlich freuen, wenn die Schöpfung geräth, aber wir können das Mißtrauen nicht bergen gegen ein Werk, das mit so großem Widerstreben, mit einer Mehrheit von bloß 2 Stimmen zu Stande kommt. — Vom 17. Sept. an erhält für dieses Jahr auch der Hos Nagatz wieder sein Quantum Pfäfferfer Wasser, so daß bei günstigem Herbst sich dort noch gute und angenehme Kuren machen lassen. A a r g a u. Die Gesammtzahl der Gäste, welche Baden während dieses Sommers besuchten, beträgt bis zum 10. September 12.290. Seit vielen Jahren machten die Badwirthe keine so günstige Ernte. Möchten sie die Gunst der Gegenwart sich auch für die Zukunft zu sichern verstehen! rathen ihnen mehrere Blätter. Tessin. Der Große Rath ist den 10. Sept. zusammengetreten. Zum Präsidenten wurde Herr Pfyffer-Gagliardi erwählt. Dann wurde die Botschaft deS Staatsrathes in der Eisenbahnfrage vorgelegt. Dieselbe schließt aus Ertheilung der Konzession an den Credit mobilier von Turin. Eine neungliedrige Kommission wird die Vorlage prüfen. Neuenburg. Ein Berner Soldat soll das »vive le roi« gut schweizerisch mit »Psysset dem König« übersetzt haben.

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