Eidgenössische Zeitung, Nummer 179, 29. Juni 1856 IIIF issue linkNeueres. [ARTICLE]

Neueres.

— Der Bundesrath hat das eingelangte Begehren des Staatsrathes von Freiburg über Ertheilung der Zwangskonzession von der Waadtländer Grenze bis Lausanne der Regierung von Waadt zugewiesen, mit der Einladung, ihren Bericht darüber so beförderlich wie möglich zu erstatten, damit ein definitiver Entscheid der Bundesversammlung in nächster Session erfolgen könne. — Friederike Bremer logirte dieser Tage in Lausanne, Eugen Sue In Luzern. Zürich. Das Schwurgericht in Winterthur hat gestern seine Session geschlossen. Es erfolgte dießmal eine einzige Freisprechung, die

darum bemerkenswerth ist, weil fie einen Betrug betraf, bei welchem Verbrechen die Geschwornen sonst nicht viel Federlesens zu machen Pflegen. Derselbe war aber wirklich bloß zivilrechtlicher Natur, die Freisprechung also ganz verständig. — Gestern Nachts um dieselbe Stunde gegen 11 Uhr ertönte abermals das Feuerhorn : von allen Seiten strömten die Bürger dienstbereit herbei, doch war gottlob ihre Hülfe nicht mehr nöthig. Im BahnHof war ein Güterwagen mit Baumwolle in Brand gerathen, entweder hatte sie sich selbst entzündet, weil sie naß verladen worden, oder es muß ein Funken von der kurz vorher angekommenen Lokomotive in fie gefallen sein. LH Bern, 28. Juni. Großer Rath. Ein Dekret über die Besoldung der Schulinspektoren wird angenommen. Sie erhalten 2200 bis 2600 Fr. jährliche Besoldung und überdieß Ersatz ihrer Auslagen. Nach etwa zwei Stunden wurde die Sitzung und zugleich die Session geschlossen. Die Bänke lichteten sich, indem viele Mitglieder nach Thun reisen, um dem Fest des Von-Stappellassens des Dampfschisses »die Stadt Thun« beizuwohnen. Uebrigens waren die Geschäfte erledigt mit Ausnahme des Strafgesetzbuchs, welches ohnehin dießma! nicht wohl hätte zur Behandlung kommen können. S o ! o t h u r n. Landammann der neuen Regierung ist Affolter. Die Departements hat fie folgendermaßen vertheilt : Finanzen : SchenPer : Bau- und Forstwesen : Affolter; Inneres und Sanität : Gisinger; Erziehung und Justiz (mit Gefängnißwesen) : Vigier; Militär und Polizei: Wyser. ^ S t. G a l l e n. Der 171/2jahrtge Schleiferjunge Meurus Stölln, welcher auf offener Straße einem Pferde aus Lust an Thierquälerei ein Tischmesser in den Leib stieß, wurde dafür vom Kriminalgericht zu 10 Monaten Zuchthaus verurtheilt. Die St.Galler-Z. läßt uns sagen, daß ihre Abgeordneten zum Zürcher Eisenbahnfest sehr freundschaftlich und zuvorkommend aufgeirommen worden sein sollen und daß man ihnen besonders verbunden war, daß fie keine Fusionsrede hielten. Graubünden. Auch die Mutter des am 5. dieß in Zernetz erlegten jungen Bären ist vier Tage nachher von zwei Jägern mit drei kugeln nach hartem Kampf niedergestreckt worden.

"Aargau. Die Eisenbahndebatte im Großen Rathe. Der Berichterstatter der Eisenbahnkommission (Herr Fürsprech Jäger) resümirt den über Nacht (!) eingelangten Expertenbericht des Herrn Ingenieur Oberst Müller von Altorf über das Lenzburger Trace kurz dahin : von Holderbank aus wird unter dem Schlosse Wildegg weg ein Tunnel erbaut; dadurch wird der Lenzburger Umweg um etwa V« (zirka 2000 Fuß) verkürzt; die Baukosten, obwohl keine genauere Berechnung (!) vorliegt, werden nicht vergrößert; der Wildegger Damm fällt weg, die Gefällsverhältnisse gestalten sich günstiger, so wie auch eine Kurvenverminderung erzielt wird. Gleichwohl findet die Mehrheit der Kommission (6 gegen 5) durch diesen Bericht die Sachlage wesentlich nicht modifizirt und stellt den Antrag, zu beschließen: Der Große Rath finde sich nicht veranlaßt, von dem am 8. Mai gefaßten Beschlüsse zurückzutreten. Der Berichterstatter motivirt diesen Antrag mit Folgendem : 1. Der Hauptübelstand des Lenzburger Trace sei der bedeutende, den Verkehr erschwerende und die Taxen erhöhende Umweg (von zirka 11,000 Fuß); dieser Umweg werde durch das neue Trace des Herrn Müller bloß um zirka 2000 Fuß, also unwesentlich verkürzt; 2. dem Freienamt (d. h. einer allfälligen Bünzbahn) werde auch durch das neue Projekt der Anschluß an die Bahn verunmöglicht, da gleich beim Austritte die Dämmungen zur Ueberbrückung des Bünzthales beginnen, wobei eben der Anschluß einer Zweigbahn nicht möglich werde. Dagegen will die Minderheit der Kommission (Ref. Feer-Herzog) die am 8. Mar der Regierung ertheilte Vollmacht zur Unterhandlung und zu definitivem Abschlüsse mit der Nordostbahn über Abänderung des Trace Lenzburg zurückziehen und den Regiemngsrath gegentheils beauftragen, alle Mittel in Anwendung zu bringen, um das Trace Lenzburg festzuhalten. * 3 ö ' .^. Herr Waller stellt eine Ordnungsmotion. Er hält es für Gewtssenspflicht, eine genauere Untersuchung anzuordnen, und stellt daher den Antrag : die Arbeiten des Herrn Ingenieur Müller dem Regierungsrathe zum BeHufe genauer Prüfung und möglichst beförderlicher Berichterstattung zu übermitteln. — Herr Jäger ist gegen diese VerMebung. — Herr alt Regierungsrath Guter glaubt an keine Freiamerbahn; diese wäre höchstens in Verbindung mit dem Bützberg möglich gewesen. Nachdem nun aber Basel seinen Weg nach dem GottHarb bereits gefunden und Zürich denselben über Zuq suche, sei eine aargauische Südbahn eine Illusion. ! Wir müssen uns die Fortsetzung dieses dem vSchweizerboten« || entnommenen Referates für morgen vorbehalten und berichten nur nach ! derselben Quelle noch den Schluß, der zu einer Vereinigung Fischers!

und Wallers führt, dessen Ordnungsmotion Herr Fischer eventuell folgendermaßen modifizirt: »Es sei in Suspension des am 8. Mai ertheilten Auftrages der Regierungsrath eingeladen, die Müller'schen Arbeiten sowie das ganze Lenzburger Trace einer allseitigen Prüfung zu unterwerfen.« Dieselbe wird mit 76 gegen 60 Stimmen angenommen. Durch diese Annahme sind die Beschlüsse des 8. Mai auf den Kopf gestellt. Vor Allem ist aber der große Zeitverlust schmerzlich zu bedauern. — Der Große Rath hat die Kindsmörderin Hauß und die Verwandtenmörderin Hürlimann begnadigt. T e s s i n. Vom 22. bis 24. d. war großes Schießen in Locarno. Der Raufbold Degiorgi wurde dabei offiziell als Heiliger gefeiert. W a a d t. Die Westbahn (Morsee-Averdon) hat vom Januar bis 16. Juni 93,207 Reisende und 163,089 Zentner Waaren befördert und 157,986 Fr. eingenommen. England. Nach der »Morning Post« hat Herr Dallas doch wegen des fatalen Vorfalls beim letzten Lever der Königin (wo einige Mitglieder der amerikanischen Legation nicht hofmäßig erschienen und namentlich eines in Pantalons, Ueberrock und schwarzer Kravatte gekleidet war!) seine Entschuldigungen gemacht und diese seien angenommen worden. — Dem Parlamente wurde die Depesche Lord Clarendons an Herrn March mirgetheilt; ihr Inhalt geht dahin, daß die Werbangelegenheit arrangirt worden ist, das Benehmen Cramptons zwar keinen Tadel verdiene; Herr Dallas aber bleibe in London; die zentralamerikanische Frage einem Schiedsgericht zu überweisen, sei England ganz geneigt, wenn nicht die direkten Unterhandlungen zu einem Resultate führen. — Der Lord-Mayor von London, der bekanntlich Israelit ist, hat sich für seine Glaubensgenossen an den intoleranten Lords, die jüngst die Bill wegen Zulassung der Juden zum Parlament verwarfen, auf feine Art gerächt: er hat fast sämmtliche Gegner der Emanzipation, den Lord Derby mitbegriffen, zu einem Bankett geladen, wobei ohne Lächeln die artigsten Reden ausgetauscht wurden. — Im Unterhause wurde die Bill Spooners wegen Einstellung des Staatsbeitrages für Maynooth in zweiter Lesung mit 174 gegen 168 Stimmen angenommen. — Alle Mitglieder des Ministeriums haben für die französischen Ueberschwemmten Beiträge gezeichnet von 675 — 1250 Fr. Türkei. Die Pforte hat angeblich auf die Verkündigung des Hatt Humayum verzichtet aus Furcht vor neuen Unruhen. — Ueber Triest wird der Allg. Ztg. aus Konstantin opel, 20. Juni, telegraphisch gemeldet: Drei englische Regimenter gehen nach Griechenland. Die Russen haben Redutkale besetzt. Türkische Gefangene, worunter Wassif Pascha, sind aus T'flis in Trapezunt angelangt. Griechenland. Der Verfasser der falschen Zirkularnote ist entdeckt.

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