Eidgenössische Zeitung, Nummer 247, 6. September 1851 IIIF issue linkSchweizerische Eidgenossenschaft. [ARTICLE]

Schweizerische Eidgenossenschaft.

Auf Ansuchen der sardinischen Gesandtschaft hat der Bundesrath den Herrn Ingenieur Koller zur Vorläufigen Untersuchung einer Eisenbahnlinie Von Luzern durch Unterwalden über den Brünig, die Grimsel und Simplon durch das Berisalthal abgeordnet. Won Sardinien ist zu gleichem Zwecke der Ingenieur Negretti hier eingetroffen. Die Aufgabe wird in den nächsten schönen Tagen gelöst werden.

Zürich. Bei der Zusammenstellung der ArmenausgaVen der Gemeinden des Kantons Zürich im Jahre 1850 behufs Bestimmung ihres Antheils an dem jährlichen Staatsbeitrage von 40M0 Fr. zeigte sich das ziemlich beruhigende Ergebniß, daß sowohl die Zahl der Armen als der Armenausgaben der Gemeinden, welche beide im Jahre 1847 auf dem Spitzpunkte gestanden, wieder von Jahr zu Jahr abnehmen. Während nämlich im Jahre 1849 die Zahl der von den Gemeinden unterstützten Armen 12,877 und die Armenausgaben 336,914 Franken betrugen , stellte fich als Summe der von den Gemeinden während des Jahres 1850 unterstützten Armen diejenige von 11,731 und als Summe der Armenausgaben diefeS Jahres 319,750 Franken heraus. Im Jahre 1847 war die Summe der unterstützten Armen 13 820 und der Armenausgaben der Gemeinden 374,730 Fr. Es mag freilich auffallen, daß die Zahl der Armen, so wie der Armenausgaben bei den relativ wieder sehr günstigen Zeitverhältnissen nicht bedeutender abgenommen hat. Eiu Korrespondent des „Bundes" sucht dieses Räthsel zu lösen, aber in einer Weise, die namentlich um der Allgemeinheit ihrer Beschuldigungen willen geradezu ungerecht ist. Die Lösung des Räthsels — sagt er — ist einerseits in dem Umstände zu suchen, daß, wer einmal den Sprung zu dem Gemeindsalmosen, zu dieser letzten Zuflucht, hinter sich hat, nicht so leicht mehr über den Graben zurückgeht, und ferner aber auch namentlich darin, daß unsere Armenpflege, besonders wo fie beinahe nur unter der Leitung bequemer Pfarrherren steht, die in ihrem Schlendrian in allen Dingen forttrotten, noch sehr im Argen liegt. Es ist solchen Herren nämlich bequemer, die Armen auf Kosten der Gemeinde mit Geld abzuspeisen und so auf die kürzeste Art ihrer los zu werden, als eine Armenpflege etwa aus tüchtigen jungen Kräften zu organifiren , welche es fich angelegen sein ließen, die Ursachen der Verarmung zu beseitigen, in das Familienleben der Unterstützten selbst hineinzusehen und nöthigerweise hineinzugreifen, um dieselben entweder aus dem Zustande moralischer Erschlaffung und Muthlofigkftt zu heben, oder Liederlichen den Ernst des Gesetzes fühlen zu lassen. An vielen Orten werden^ die ärgsten Taugenichtse aus Furcht vor denselben unterstützt , statt daß ihrem Treiben energisch entgegengetreten würde. Anstatt der wirklich vorhandenen, wenn auch mangelhaften gesetzlichen Mittel sich zu bedienen, um solche Subjekte zur Ordnung zu weisen, gefallen fich unsere Herren

Geistlichen meistens darin, über den Mangel an gesetzlichen Handhaben gegen derartiges Volk zu jammern. Bern. Der Regierungsrath hat beschlossen, daß einer Klage wegen einer Gebietsverletzung von untergeordneter Bedeutung, welche französische Polizeibeamte Ende März in LucelleS sich zu Schulden kommen ließen, nicht weiter Folge gegeben werden soll, in der Erwartung, die französischen Behörden werden in einem ähnlichen Falle gegenüber den bernischen Behörden Gegenrecht halten. G r a u b ü n d e n. Der „Bund" erzählt folgenden Fall eines Konfliktes zwischen Staat und Kirche. Ein katholischer Graubündner wollte sich mit einer dortigen Protestantin verehelichen. Sein Heimat- und Taufschein lagen in der bischöflichen Kanzlei und wollten nicht verabfolgt werden. Er wendete sich an die Regierung , welche sofort die Weisung zur Herausgabe erließ. Die Kurie schützte jedoch Vor, sie müsse Vorerst den Bräutigam inS Eramen nehmen. Der Kleine Rath stellte einen Termin und verlangte, bis Nachmittags 4 Uhr sollen die Schriften verabfolgt werden; hierauf ließ man wissen, der Bischof werde selbst bei der Regierung erscheinen, um die Sache aufzuklären. Zu diesem Ende wurde der Termin bis 6 Uhr Abends verlängert. Als aber der Herr Bischof nicht erschien, erhielt der Polizeidirektor Befehl, am nächsten Morgen mit einigen Landjägern zur Exekution zu schreiten. Bereits wurden hiezu Anstalten getroffen, als Von Seite der Kurie eine Unterwerfungserklärung erfolgte und die betreffenden Schriften herausgegeben wurden." — Das heißt summarisch Verfahren. T h u r g a u. Am 3. d. war die evangelische Synode in Frauenfeld versammelt. Auch fie laborirt an der Schöpfung eines neuen Katechismus an die Stelle des 250 Jahre alten zürcherischen. Eine Kommission, die mit der Bearbeitung einer Revision desselben behelligt oder belastet worden war, scheint, trotz einer sehr einläßlichen Arbeit, mehr nur die kritisirenden Geister geweckt als großen Beifall gefunden zu haben. Wie natürlich und begreiflich gingen die Richtungen vielfach auS einander: während die Einen ziemlich unbedingt am alten Katechismus festhalten wollen, wollen Andere mit der ReVifionsarbeit fortfahren, bis einmal etwas Zweckmäßiges gefunden werde, und Dritte für einmal das Schaffen und Wirken, versteht fich nur in Sachen, einstellen, den alten Katechismus in Ruhe verabscheiden und direkt aus dem Worte Gottes, wie das Testament es darstellt, eine Grundläge für die Kinderlehre schöpfen. Für den Nichttheologen war hiebei das Bekenntniß von Werth, daß es ohnehin für manchen Geistlichen bemerkenswerth sei, fich mehr mit dieser Urquelle alles Glaubens und Lebens, aller Dogmatil und Ethik, selbst auf die Gefahr hin vertraut zu machen, daß er dieses Buch „verstaubt" in seinem Zimmer finden möchte. Die Mehrheit beschloß zuletzt, die Revifionsarbeit nicht fallen zu lassen, sondern deren Fortsetzung zu verlangen, in dem Sinne jedoch, daß eine Kommisston beauftragt werde, zunächst

einen Plan für den gesammten Religionsunterricht mit ausdrücklicher besonderer Beleuchtung der Katechismusfrage zu bearbeiten und der Synode vorzulegen, und hienach dann das Weitere zu beschließen. Als ein Kuriosum erwähnen wir noch, daß die geistlichen Herren die anwesenden Vertreter des Staates, zwei Regierungsräthe, durch die Wahl als Stimmenzähler — beehrten : eine Ehre, die bei uns zu Lande eher als eine taktlose Unhöflichkeit gelten würde. Genf. Das „Journal de Geneve" gibt folgenden Bericht über die letzthin angekündigte Versammlung der Association nationale, um über die Trennung von Staat und Kirche zu diskutiren, welche am letzten Samstag stattgefunden hat. Herr Duchosal eröffnete die Versammlung , indem er die Wahl eines Präsidenten anregte. Ein Mitglied schlug hierauf Herrn Duchosal selbst vor, einige andere unterstützten ihn, die meisten schwiegen. Herr Duchosal ließ nicht abstimmen und nahm den Vorfitz an. Einmal installirt, erklärt Herr Duchosal, daß er für sich keine religiöse Meinung habe (eine Erklärung, die derselbe gelegentlich schon im Großen Rathe abgegeben hatte), und daß er deßhalb dafür halte, daß diejenigen, die einen Gottesdienst wünschen, denselben auch bezahlen. Herr Lamon, Mitglied des Munizipalrathes , folgte auf Herrn Duchosal und machte in einer geschriebenen Rede darauf aufmerksam, daß, da der Vertrag von Turin den Unterhalt der katholischen Geistlichkeit durch den Staat garantire, es nicht billig wäre, die protestantische Geistlichkeit allein davon auszunehmen und so vielleicht eine Anzahl Pfarrer hem Elend preiszugeben. Herr Lamon benützte überdieß die Gelegenheit, um fich gegen die Zusatzcentimen (Erhöhung der Gemeiydeabgaben) auszusprechen. Er wird mit Tumult unterbrochen: ein Mitglied ruft ihm zu, daß er ja selbst im Munizipalrath dafür gestimmt habe. Herr Hiertzeler widersetzte sich hierauf geradezu einer Trennung von Staat und Kirche; seine Anwesenheit auf der Rednerbühne verursachte indeß einigen Tumult, Herr Hiertzeler hielt aber fest dagegen und verläßt sie erst, nachdem er seine Rede beendigt, und zieht fich hierauf in eine Ecke des Saales zurück. Herr Duchosal bestieg nun zum zweiten Male die Tribüne und erklärte auf die Einwendungen des Herrn Lamon hin, daß er eine Trennung von Staat und Kirche nur dann wolle, wenn fie beide Konfesstonen betreffe, und die Versammlung, die fich überzeugte, daß die Frage noch sehr unreif und ungewiß sei, beschloß, eine genauere Erörterung auf eine spätere Sitzung zu verschieben.

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