Bündner Nachrichten, 6. Januar 1888 IIIF issue linkWintertemperaturen [ARTICLE]

Wintertemperaturen

Ueber die verfchiedene « Temparaturen in den verschiedenen Ländern während der Winterszeit läßt sich der bekannte Gelehrte Petermann folgendermaßen vernehmen : Nahe dem Äcquator unterfcheidet sich der Winter fast gar nicht vom Sommer und die Differenz zwifchen dem kältesten unb wärmsten Monate beträgt an vielen Orten nicht mehr als einen Grad , in extremen Fällen etwa fo viel , wie bei uns der Wärmeunterschied zwifchen September und Oktober ausmacht . Daß , wie bei uns ost im Winter , wenn nach strenger Kälte Th auwetter eintritt , dle Wärme von eiuem Tag zum andern um 10 Grad steigt , ist in den Tropen unerhört . Gleichwohl friert der Tropenmenfch nicht weniger als wir , da die Gewöhnung an ein hochbestündiges Wetter , und die große Feuch tigkeit der Luft jeden kleinsten TemperaturVechfel empfindlich machen . In Gomde in Afrika , 11 « vom Aequator , fand Roh fs in den Hütten der Pullo-N ger eigenlhümlicheNachtlagcr , Bänke aus Thon , dieinnen hohl sind und Nachts durch Kohlen und Feuer gewärmt werden . Der fröstelnde Neger breitet feine Matten darüber und fchützt sich fo in den Wintecmonaten gegm Kälte .

Was ist das aber für Kalte ? Der kälteste Monat hat 22 Grad Celsius , d . h . zum Grad mehr als der Juli in Wien ! Auch Touristen , welche dle Hochgipfel des Kamerungebirges bestiegen , bestätigten , daß sie sich bei 17—20 Grad Wärme von Frost durchfchauert fühlten . Im Gegenfatze zu dem Klima der Tropen unb der Empfindlichkeit , die man hier gegen kleine Temperalurerm . drlgungen hat , zeigt uns Ostfibirien die größte Schwankung der Wärme auf der Erde und zugleich ein Klima , wo man große Temperatmwechfel leicht verträgt . In Wien bifferiren Januar und Juli um 22 Grad C ., in Jakute ! ( Ostfibirien ) ( 62 Grad nöcdl . Breite ) hat der Juli -j18 Grab C ., der Januar — 42 , 8 Grad C . Der Juli ist fast fo warm wie bei uns ; der Januar aber bringt — und zwar im Durchschnitt — eine Kälte , wie sie in Wien auch annähernd übeihaupl nie vorkommt . Die größte Kälte in Wien war — 25 l / 2 Grad C . am 22 . Januar 1850 , in Iakutsl aber sank das Quecksilber fchon bis auf — 62 Gr . C . und zu Werchojansl unterm Polalkreife wurden fogar schon — 65 Grad C . regiftrirt . Letztere Z ffer bezeichnet die größte , auf der Erde bisher beobachtete WinteilMe und man kann sich oon ihr eine Vor

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3 Zer AiebestyrtVin . Von Richard Marlolfu « . „ Gva ! Hofmeistertc Sibnlla in strengem Ton . Die aber fchaute ganz vergnüglich drein , wie es nur ein siebenjähriges Mädchen thun kann , das noch nichts weiß von der falschen Höflichkeit der Welt , und sie hätte noch weiter geschwatzt , wenn sie nicht von der blonden Hildgard , ihrer amnuthigen Genossin , am Acrmel gezupft worden wäre , so daß ste wieder verlegen inne hielt . Aber wieder half ihr des Herzogs Mutter über , indem sie den Faden der Unterredung graziös wciterfpllnn . „ Freilich , wir nehmen gern Antheil an allem , was unfer Landesherr vornimmt ; eng ist der Kreis unferer Wirksamkeit , und ruhig verfließt das Leben der Frau im stillen Hcim ; da wird jede Kleinigkeit aus dcr großen Welt bedeutend . Aber , wie gesagt , wir wollen den Kreis diesmal erweitern . „ Also eine Reiherbei zc , gnädige Frau Mutter . „ Um Gott nicht ! Ist nicht Maria von Burgund , des edlen Königs Maximilian fchönc Gemahlin , auf der Reiherbeize um s Leben gekommen ?

stellung machen , wenn man bedenkt , daß fchon bei — 40 Grad C . das Quecksilber gefriert , die Butter mit dem Meißel behandelt werden muß , der Hauch in Eisfchüppchen zur Erde fällt . Ein Menfch , den man bei — 60 Grad C . unbekleidet ausfetzen würde , wäre in wenigen Minuten eine Leiche . Man begreift in Anfehung folcher Verhältnisse , daß felbst die Russen vor der sibirischen Winterkälte Refpelt haben und von den Jakuten als von eisernen Menfchen reden . Immerhin hat jedoch felbst dieses exemplarisch strenge Klima feine Vorzüge und in Gegenben , die etwas füdlicher liegen , wle Irlutsl , wo die mittlere Januar-Temperatur fchon — 20 Grad C . beträgt , entfaltet ber sibirische Winter sogar hohe Reize . Dle Luft ift bei stärkern Kältegraden fast ausnahmslos ganz still , der Himmel vollständig klar , die Sonne wirkt fo stark , daß oft bei — 25 Grad C . das Wasser von den Dächern trcpft und es dem Spaziergänger — felbstverständltch im Pelze , den auch der Aermste besitzt — zu warm wird . Wie ganz anders ift das in Europa , wo der schneidige Wind bei viel geringern Kältegraden die wärmsten Pelze durchdringt , so daß es Niemandem einfällt , stch ohne Noth im Freien zu bewegen !

Sehr wichtig ift für die größere oder geringere Leichtigkeit , womit mau hohe Kältegrade erträgt , auch der Feuchtigkeitsgehalt der Luft , da nur vollkommen trockene Kleidung gegen Kälte fchützt , während man in feuchter Kleidung verloren ist . Was thut nun der sibirifche Nomade , um die im Laufe des Tages oon der Ausdünstung des Körpers durchfeuchteten Gewänder zu trocknen ? Alle Abend kehrt er , bevor er sich in feinem Zelte hinlegt , das Innere der Kleidungsstücke nach außen und legt sie auf den Schnee . Am Morgen findet er sie vollkommen trocken , da bei dem äußerst geringen Feuchtigkeitsgehalte der Luft felbst Eis und Schnee rafch verdampfen . Der sibirifche Winter kann alfo eigentlich als der Winter betrachtet werden , wie er uns als Ideal vorfchwebt und wie wir ihn wenigstens zur Weihnachtszeit gerne hätten , wenn — wenn die Pelze hier ebenfo billig wären als in Sibirien . Abgefehen von letzterm Umstände werden wir aber mit unferm launifchen Winter , der uns doch auch manchen hellen und dabei warmen Tag bringt , zufriedener fein , sobald wir ihn mit dem Winter Rordamerikas vergleichen . Dieser ist noch weit exzessiver . In Nordamerika und zwar in St . Louis ( Breite von

„ Zuviel der Sorge , Mütterchen , die Reiher sind ja längst über die Berge . Aber eine Jagd ? „ Vielen Dank , Herr Herzog , unser Hofhält ist zu jung und zu alt zum Waidwerk . Aber den weißen Fuchs wollen wir uns ansehen beim Forstwart . Der Sohn schaute fragend zur Mutter hin . „ Wir Alten lassen uns hinausfahren . Nicht Sibylla ? „ Und die Jungen , Fran Mutter ? „ Sollen reiten ! Da eilte Hildgurd zur Herzogin und küßte ihr die Hand und gab so Eva ein gutes Beispiel , denn die war . ihr am liebsten vor Dankbarkeit gleich um den Hals gefallen . Nur Sibnlla war unzufrieden . „ Aber die rauhe Luft , wendete sie stch zum Herzog , „ der Frau Herzogin theure Gesundheit ! Wir sind lange nicht hinausgekommen . Eine Sänfte . . . . „ Nein , nein , gute Sibnlla , sci unbesorgt um mich , wir fahren .

„ Und wir reiten nebenher , meinte Eva . Die Herzogin bejahte freundlich , und mit frohem Nachtgruß verließ ihr Sohn das Gemach , um flugs noch heute

einen Boten zum Forstwart zu schicken . Früher als sonst wurden die jungen Damen entlassen ; aber als Eva schon von ihrem englischen Pfcrdchen träumte , blätterte Sibnlla noch in Rüxners Turnierbuch , um nach dcm Adelsrang der Schlummernden zu forschen . Und dcr Herzog Heinrich ? Der saß am Kamin und konnte keinen Schlaf finden und warf halb träumend Tllnnzapfen in die knisternde Flamme , und zuweilen flog ein Lächeln über sein männlich schönes Antlitz . Indeß henlte der Nachtwind um das alte Schloß und raunte und flüsterte in den langen Gängen desselben , und als er unten an der Eingangspforte gerüttelt hatte , öffnete sich dieselbe plötzlich , aber mit Hülfe von Menschenhand , denn der Hofjäger stand davor und fagte , indem er sich vor Kälte schüttelte , zum Thorwart : „ Ich muß noch nach dem Forsthaus , morgen gibts große Ausfahrt .

Diesmal brachte es dic Sonne nicht an den Tag , denn noch ehe sie mit vor Kälte rothem Angesicht in die engen Gassen der kleinen Residenz hineinguckte , war die große Neuigkeit vom Schlosse mit Riesenschritten durch das Stadtlein gewandert , und was das Merkwürdi gste war , keiner von den Hofleuten war zu der Fahrt befohlen , nur dem Leibmcdicus hat Tante

Lissabon ) hatte man am 1 . Iannar 1864 — 30 Grad C . und noch im selben Januar stieg das Quecksilber auf > 22 Grad C . Zu Fort Sully in Dakota ( Breite von Florenz ) stieg die Temperatur vom 29 . zum 30 . November 1872 von — 26 , 1 Grad C . auf -j- 7 , 8 Grad C . ! Das sind Temperaturfprünge , wie sie bei uns zum Glück nicht vorkommen , da bie Alpen nicht gestatten , daß bald Nord-, bald Südwinde in einer Flucht über den ganzen Kontinent hinrafen ; sie zeigen uns aber fehr deutlich , daß die Mäßigung der „ gemäßigten Zonen eine fehr relative ist .

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