Bündner Nachrichten, 2 December 1887 IIIF issue link — Page 3

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anzuführen . In der Vaterlandslunde mochte er leine Verherrlichung von Dynastien , keine Anekdoten behandelt wissen , sondern es sollte da reine Staatsgeschichte mit besonderer Berücksichtigung unseres Kantons und im Speziellen mlt Berücksichtigung der verschiedenen Bündnisse und Freiheitsbriefe , und zwar mit dem Altcrthum beginnend , durchgenommen werden . In ber ncuern Geschichte sollte dann namentlich Rücksicht genommen weiden auf die Medialionsverfassung , die französische Revolution , die 48 er und 74 er Verfassung . Aber auch diefe fämmtlichen Abrisse aus der ganzen Gefchichte sollten nicht mchr als 4 Bogen eines gewöhnlichen Lesebuches beanspruchen , indem ein auf diefen Raum beschränkter Stoff schon eine für diefe kurzen Kurfe der Abendfchulen bedeutende Zeit in Anspruch nimmt . ( Schluß folgt . )

Fleischpreise . ( Eingesandt . ) Ich danke den „ fämmtlichen Mltzgermeistern für die „ Belehrung , die freilich noch nicht vermocht hat , mich eines Andern zu überzeugen . Denn worauf es ankommt , davon sagt die Erwiderung lein Sterbenswöttchen , Ich habe in meiner ersten Einfendung gefagt , daß , während die Viehprcife stall gefallen feien , die hiesigen Flcifchpreise noch auf der alten Höhe stehen . Nun wäre es nicht blos für mich , fondern für alle Familienväter interessant gewefen , von den Herren Metzgern eine plausible Rechtfertigung diefer Thatfache zu hören . Darüber fchweigen sie sich aber auS . Danach ist auch der Werth ihrer Erllärung zu bemessen . Deutfche Reichsfechtfchulc . Am nächsten Sonntag führt diefer Verein , welcher die Unterstütz ung deutscher Waisen zum Zwecke hat , das Schau « spiel : „ Der Bucklige oder „ Die Macht der Arbeit im Kastnosaale auf . Auch der „ Fechtfchule ist , wie dem Grütliverein , zahlreicher Besuch zu wünfchen .

Ausland

Deutschland . In Berlin werden ärztliche Stimmen laut , welche das Vorhandensein dcs Krebses beim Kronprinzen noch durchaus nicht als unumstößliche Thatsache betrachten wollen , um so weniger , als Prof . Virchow bei der Unterfuchung des Auswurfs keinerlei Spuren von Krebs beobachtet hat . Man weist darauf hin , daß gewisse cmdtie Kcanlheitserfcheinungen große Ähnlichkeit mit Krebsbildungen zeigen könne »! . — In München hat sich der flüchtige Direktor ber Leipziger Diskontobank , Dr . Jerusalem , in dem Augenblick erschossen , als man ihn verhaften wollte . IranKreich . In dem Blatt „ Parifei Leben wiio die faubere Madame Limoustn , wie sie sich neulich als Sternenwlrthin in der Clichy Straße mit ihrem Loientz als Oberkellner p 7 äfentirte , folgendermaßen gefchildert : „ Ein kleines Weib , angethan mit einem lachsfarbenen , feidendurchwirkten Kleide , eine schwere Talmikelte um den Hals , gleiche Armbänder mit falfchen Steinen an beiden Handgelenken , mit falfchen , auf ben Nacken herabfallenden Hiaren , in denen zwei große künstliche Rofen befestigt sind , mit schlecht gepflegten Händen , die einmal schön gewefen sein müssen , bie Stirn in zwei Hälften getheilt durch eine büfe scharfe Falte , darunter ein Paar lebhafte Augen , die Augen einer Frau , die gewöhnt ist , mit Blicken nicht gerade fparfam umzugehen , eine starke Nafe , glatt , breit und gemein , der Mund groß mit

dünner Oberlippe , emer Lippe , nue man ste bei intriganten , einer dicken , ungefchlachten Unterlippe , wie mau ste bei sinnlichen Frauen findet , das Kinn viereckig und massiv , der Nacken schlapp und saltig , die Wangen gepudert und roth — so steht das Weib aus , das zu feinen Füßen Generäle und Deputirte gefehen hat , das in ganz Frankreich , ganz Europa eine alles Andere in den Hintergrund drängende Bewegung hervorgerufen hat . Und neben ihr steht ein fchlapper , ausgemergelter Gefelle . Die Wmgen bleich , das Auge hohl und fieberhaft glänzend , die Schnurrbarlfpltzen herabhängend , ein Greis trotz feiner Jahre , der Genosse ihrer Thaten und Pläne , ihr Liebhaber , ein Lump , der um ihretwillen fein Weib verlassen und fein « Kinder hat Hungers sterben lassen — ein folches Paar ift die größte Sehenswürdigkeit des Paris von heute ! In frühen « Zeiten hätte man e » nur zu fehen bekommen auf offenem Markte am Prangelpfahl mit dem Eisen um den Hals — heute eröffnet es ein Kaffee und macht Geschäfte . Nun , mit den Geschäften ists bekanntlich nicht weit her . Seit ihrem Auszug aus der Rue de Clichy hat das Paar auch im lateinischen Viertel ( Studentenviertel ) versucht eine Wirthschaft einzurichten . Da kam es erst recht unter die Traufe . Es entstand in der Kneipe ein fürchterlicher Skandal , die Beiden wollten fich in einer Kutfche flüchten , wurden oom

entrüsteten Publikum aufgehalten , zu Boden gerissen , die Limouzin erhielt fogar von einigen handfesten Weibern eine Tracht Prügel auf ben Unaussprechlichen , endlich befreite sie die Polizei aus ihrer bedenklichen Lage . Die moralifche Entrüstung , mit welcher die Pariser das Schwlndlerpaar verfolgen , zeigt , daß dieselben keineswegs blos Freude am Pikanten und am Skandal haben . — Die Anhänger Grevys haben noch im letz ten Moment Anstrengungen gemacht , um dessen Bleiben zu ermöglichen . Sie ersuchten Goblet . ein Kabinet zu bilben , aber dieser lehnte ab . Nunmehr muß Grevy gehen . — Simon Boub-Ze , der im „ Clarin vor fechs Jahren fchon über das Treiben Wilsons und Genossen in einer Weife gesprochen , die ihm eine Verurteilung zu 3 Monat Gefängniß zuzog , bittet jetzt um eine kleine Entschädigung : um eine Million , die er zur Entschädigung der Opfer jenes Treibens verwenden will . Italien . Laut Erklärung Ciispi s verließen in Folge der Baukrise 8000 Arbeiter Rom ; auch in N apsl ist ein Baukrach ausgebrochen . In Rione und Bomero streiken 2500 Arbeiter , weil sie nicht ausbezahlt worden sind . — Die Königin empfing letzter Tage Crispis Gattin , die fo das erste Mal bei Hofe erschien . Damit wäre der Hof mit Cr . spiS Eheverhältniß endlich ausgesöhnt .

Oesterreich . Die Tschechen sind mit der Kalnokyschen Politik nicht zufrieden . Sie eifern gegen den Bund O esterreich s mit Deulfchland und Italien und möchten lieber einen Bund mlt Rußland anstreben . Uußland . Die russische Oberprehverwaltung befahl laut Berliner Tageblatt burch ein Zirkular fämmtlichen russifchen Zeitungen deulfchfeindliche Angrisse einzustellen . Portugal . Auch diefes Land hat feine Slandälchcn . Bei der Nusfchreibung des Wettbewerbs für die großen Lissaboner Hafenarbetten , welche die Landeshaup . ftadt zu einem der sichersten Häfen ber Erde zu machen bestimmt sind , follen Bestechungen vorgekommen fein . Es wurde ein Brief des Jage » nieurs Herfent vorgefunden , welcher Geldgefchenke verfprach , wenn fein Plan angenommen werde . Iensent war richtig als Sieger hervorgegangen . ES isi ftrafgerichtliche Unterfuchung eingeleitet .

Literarisches . Im Verlag von Orell Fllßli & Comp , in Zürich sind „ Freundliche Stimmen an Kinderherzen erschienen , lleine , fein ausgestattete Büchlein für Kinder bis zum 15 . Ältersjahr . Diefelben bringen auf 15 Seiten unterhaltenden Text mit vorzüglichen Illustrationen , an denen der Geschmack der Kinder sich heranbilden lann . Der Engros-Preis für Lehrer und Schulbehörden ist auf nur 10 Rappen ge » stellt , alfo kaum höher , als derjenige einzelner Bildchen , die man mancherorts den Kindern in den Schulen zur Weihnachtszeit fchenlt . Wir empfehlen die niedlichen Hefte bestens .

Die Mondtvelt

Du Entfernung beS Mondes von unferer Erde ist verhältnißmäßig fo gering , daß unfere Instrumente einen befriedigenden Einblick in die lanofchaft » lichen Verhältnisse feiner Oberfläche gestatten . Ein Schnellzug würde freilich etwa sieben Monate Zeit gebrauchen , um eine Entfernung gleich der deS Mondes von der Erde abzulaufen , allein für unfere großen Ferngläfer sind folche Entfernungen wenig bedeutfam , sie z iehe « den Mond bis auf einige Meilen in den Gesichtskreis des Astronomen herab . Schwer ist es , den Eindruck zu fchildern , den der Beobachter empfängt , wenn er die Sonne aufgehen sieht über den ungeheuren Vergmasscn der Mondapennlnen , die ostwärts bis zu 10 , 000 Fuh TKfe abstürzen gegen eine weite Ebene , aus der drei u « geheuere Krater fich erheben , von denen dir kleinste groß genug ift , um alle Vulkane Europas zusammen in sich aufzunehmen . Mit einem Blick überschaut hier das Auge am Fernrohr eine Fläche von der Größe des deutschen Reiches , erfüllt mit elner unfaßbare « Mannigfaltigkeit fremdartiger Bergformen . Meilenlange Schatten wersen die thurmähnlichen Hochgipfel in die Fläche , die mit zahllosen Erhebungen bebeckt ist . ES gewcrhrt ein erhebendes Gefühl , folche Blicke zu thun in eine ferne , fremde

Welt

Der Mond hat leine Meere ; dies zu bestätigen , dazu gehört heute nur ein kleines Fernrohr . Allein Spuren von Feuchtigkeit sind in ben tiefen , graue « Ebenen , den Betten ehemaliger Mondmeere , noch

vorhanden . Solches wird bezeugt burch leichte Nebel , die sich wie Schleier häusig auf der Mondfläche zeigen . Vullanifche Thätigkeit findet auch heute auf dem Monde statt und ist in einigen Fällen mit aller Gewißheit nachgewiesen , aber man darf dabei nicht an ungeheuere , weithin sichtbare Feuerausbrüche denken , da die feine Atmofphäre des Mondes mächtige Flammen wohl kaum erlaubt . Uebrigens sind doch einige Beispiele bekannt , in welchen man Lichterfcheinungen auf dem Monde gesehen hat . Dcn frühesten Fall diefer Art berichtete Gregor ! von Tours , der im Jahre 57 ? in der Mitte des Mondes einen funkelnden Stern gesehen hat , welcher vielleicht auf einen großartigen vullantfchen Ausbruch auf dem Monde hindeutete . Was die Frage nach

den kleinsten auf der Mondoberstüche sichtbaren Gegenständen anbelangt , fo vermag man folche auf 500 Fuß Länge und Breite als Punkte wahrzunehmen , die sich jedoch nicht deuten lassen . Ein Gebäude oon der Größe des Kölner Domes würde man von der Erde aus noch eben fehen können , aber feine Gestalt des näheren nicht zu erkennen vermögen . Ein großer Fortschritt in dieser Beziehung läßt sich dagegen HHen , wenn eines der grüßten Fernrohre , wie sie heute in Amerika hergestellt werden , ausschließlich für Monbbeodachtungen verwendet würde . Gewiß wird man dann in verhältnißmäßig kurzer Zeit zu weiter « , fehl wichtigen Ergebnissen gelangen , wenngleich man fchon heute mit voller Bestimmtheit aussprechen darf , oaß Bewohner des Mondes , die körperlich uns Menschen gleicher » , uicht vochanden fein können .

Letzte Nachrichten

Paris , 30 . Die Radikalen fetzten , als sie erfuhren , daß die Rechte für Ferry stimmen wolle , alle Mittel in Bewegung , um Grevy zum Bleiben zu bewegen . Selbst Rochefort , der Grevy aujs Heftigste angegriffen hatte , trat für ihn ein mit der Begründung , man müsse das Vaterland gegen Ferry beschützen . Dsroulöde bat Grevy unter Thränen um Vergebung und beschwor ihn , zu bleiben . Alle die Versuche scheiterte » , da Niemand ein Ministerium bilben wollte . Paris , 30 . Nov . Die Rechte versichert , sie werde einstimmig in allen Abstimmungen für den Admiral Dompierre stimmen . Wenn von bcr andern Seite die Nepublicmer zwischen Freycintt und Ferry getheilt bleibe » , werden zahlreiche Abstimmungen nöthig sein . Brüssel , 30 . Nov . Belgien und Holland unterhandeln über den Abschluß einer Dtfensioallianz . P est , 30 . Nov . Großes Aufsehe ! im Parlameut und im Publilum erregte die heutige In terpellation betreffend das Verfchwinden und die Vertauschung der weithvollsten Objekte des Nationalmuseumi und ber Landesbildeigallerie , sowie die Interpellation betreffs des trotz der erwiesenen Fälschung dcS Wählerverzeichnisses venfizirten Mandats des Handelsmlnisters Grafen Sz- chenyis , der d rett gefragt würbe , ob er die Beibehaltung des Mandats Mit der Ehre vereinbar halte .

München , 30 . Nov . Bei der heutigen Gemeinderathlwahl haben die Liberalen 12 , die Klerikalen 8 Stadtverordnete durchgestzt , gegen 5 liberale und 15 Klerikale austretende . New-Yorl , 30 . Johann Most ist des Vergehens , in einer öffentlichen Versammlung zu Gewaltthaten aufgereizt zu haben , für fchuldig befunden worden . Das Urtheil wird am Montag püblizirt .

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Unfere verehr ! . Abonnenten in Chur laden wir ein , das Abonnement für die „ Bündner Nachrichten pro II , Halbjahr 1887 im Laufe diefes Monats aus unserm Bureau gegen Empfangschein glfl . entrichten zu wollen , nachher würden wir unS erlauben , den Betrag per Poftnahme zn erheben . Temperatur « m 3 » . « sv . Vtar « en « 7 Uhr l » Ehur 0 . Zürich —3 , Bafel 1 . Lu-zern —3 , Genf 1 . Lugano 2 , Davos —( 1 . Heiden —0 ° Eelf . « itthetlun « über die Beobachtungen an der « ueorolog . Station in « lym ( 613 M . üb . Neer ,.

39 . Nov . 9 Uhr A . 706 , l -4-1 . 3 . NO bedeckt 1 . . ? , W . 713 . 9 -l- U . 6 O 1 . , l . Mit . 715 , 2 ^ . 2 . 4 O Leichter Schneefall .

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