Tagblatt der Stadt Biel, Band 17, Nummer 116, 17. Mai 1879 IIIF issue linkEidgenossenschaft. [ARTICLE]

Eidgenossenschaft.

Bern. CZämmtliche bernifche National- und Ständeräthe Haben folgenden Aufruf an das Berner Volk erlaffen : Die unterzeichneten bernifchen WVitglieder der Bundesverfamm(lung wenden fih an ihre Mitbürger und rathen ihnen nach befter Ueberzeugung zur Berwerfung der beabfichtigten Revifion des Art. 65 der Bundesverfaffung. Sie Kfonnten nicht dazu ftimmen, daß durch die Wiederzulaffung der Todesftrafe auf dem Gebiete des Strafrechtes eine das Rechtsgefühl verleBende Ungleichheit fanfktionirt, die dringlidhe Reform unferer Strafanftalten thatfächlidy brach gelegt, die innere Befferung des Ver» brecher8$ vor dem Tode ımeiftentheil® iNuforijdh) gemacht und unferın Volke die Anficht beigebracht werde, daß die Sühne für die fchwerften Verbrecher nur in der dem menfchlichen und Ohriftlidhen Gefühle wider[prechenden Einrichtung des Venkers Liegen fönne. Die Unterzeichneten find Überzeugt, daß das Berner Volk diefe Gründe in ernftlidhe Erwägung gezogen hat, und fie hoffen, daß eS in diefer ernften Frage der Stimmgebung der Mehrheit jeiner Vertreter beitreten und am 18. Mai ein beftimmtes Nein in die Urne legen wird. (Folgen die Unter fchriften.) — MMWie bereit8 berichtet wurde, Hat der Mann, der während einer Reihe von Fahren am Steuerrnder des bernifchen Staatsichiffes ftand und au die oberfte Stufe der fhweizer. Magiftratur erftiegen hatte, der Seeländer Jakob Stämpfli am 15. dieß, Morgens 10 Uhr, feine Augen für immer ge: fchloffen. Mit ihm. ift eine bedeutende Intelligenz, eine markige Erfcheinung, ein braver, gerader Charakter, überhaupt ein ganzer Diann vom irdifdhen SchauplaB verfchwunden. SS. Stämpfli wurde im Jahre 1820 in Hanzenhaus, Semeinde Schüpfen, geboren. Seine Eltern waren wenig be: mittelte Bauersleute. Bon früher Jugend an zeigte der Knabe Stämpfli eine ungewöhnliche Lernbegierde und e& ließ fich das mals fchon vorausfehen, der einftige Mann St. werde cher die Feder al8 den Pflug führen. Nachdem der Knabe bis zum 12. Altersjahre die Zorffchule feiner Gemeinde befucht, brachte ihn fein Bater zu einem Notar nach Yiüren Hier zeichnete fih der junge Schreiber durh außerordentliche Strebfamfeit und eifernen ZLeiß aus. Als er feine Vehrzeit vollendet hatte, begab er fid nach Cortebert" zu einem Verwandten, um die franzöfilde Sprache zu erlernen. Dort blieb. er zwei Fahre. Sn einem Alter von 18 Fahren ftudirte Stämpfli bereits unter Prof. Wild. Snell an der Berner Hochfehule die Rechtswiffen» YOafen un) Hatte im 300 1843 fchon das Fürfprecherpatent im Sa Mit Ynmenbtien Heuer warf er fich in den Strudel des damals bereits begonnenen Parteikampfes. Die Vertreibung der Sefuiten, der Sturz der ultramontanen Regierungen ftanden damal8 auf dem Programm der radikalen Partei. Ein Mann wie Stämpfli konnte daher auch nicht daheim bleiben, al8 die HreifjhHaaeen im Frühling 1845 nad Luzern zogen. Er war Beuge des traurigen Ausganges der Expedition, entfchlüpfte aber der Sefangenfchaft. Al8 dann die Berner Regierung, an deren Spige Schultheiß Neuhaus ftand, die bern. Theilnehmer am HreifhHaarenzuge zu verfolgen begann, nahm Stämpfli den Kampf mit ihr auf. Sun der „Berner Beitung" berfeßte er dem Regiment Neuhaus Schlag auf Schlag und verlangte eine: Verfaffungsrevifion. Der Sroße Rath unterbreitete diefes Begehren, troß der Warnung von Neuhaus, dem Voll, und mit circa 26,500 gegen 11,500 Stimmen wurde die Berfaffungsrevifion befchloffen. Stämpfli wurde Witglied der Konftituante ; fie zählte 119 Nas

dikale und 20 Konfervative. Die aus den BerathHungen diefer Behörde hHervorgegangene Verfaffung ift hHauptfächlih Stämpflis Werk; fie wurde am 1. Juli 1846 vom Volk mit an Einmuthgrenzender Mehrheit angenommen. Das Regiment Neuhaus Hatte aufgehört zu fein; in die neue Regierung wurden. u. a. gewählt: Stämpfli, Ochfenbein, Stodmar, Funk. i Sm Alter von 27 Fahren war Stämpfli neben ODchfenbein und Dr. Schneider, Taglagungsgefandter und hier einer der erften für Bekämpfung des Sonderbundes. Nach Niederwerfung des letztern galt c8, die BHundeSverfaffung vom Fahre 1815 zu rebidiren. Stämpfli verfocht fcdhon damals feine Centralifationgs pläne, aber ohe Erfolg. Im Fahıe 1849 faß Stämpfli bes reit8 im Mationalrathe und Hauptjächlich ihın verdankt man e8, daß die Kapitulationen mit auswärtigen Staaten aufgehoben, überhaupt das Reislaufen verboten wurde, Anno 1850 gelangte im Kanton Bern die Konfervative Partei ang Ruder; St. nahın die Adpvokatur wieder auf. Da er in der „Berner Zeitung" das neue Regiment fehr heftig ans griff, wurde er verhaftet und faß 4 Wochen lakıg am Schatten; dody war feine Popularität fehr gewachfen. Ein Fahr {päter erhielten die [iberalen Nationalrathsfandidaten im Kanton Bern die Mehrheit; St. befand fich darunter; er wurde von diefer Zehörde dann bald auf den Präftdentenftuhl gehoben. Im Fahre 1854 fchloffen die beiden bern. politifchen Parteien einen Compromiß ; in die Regierung wurden 5 Konfervative und 4 Radikale gewählt, worunter Stämpfli. Ein Jahr fpäter faß er im Bundesrath und war 1856 Bundespräfident. Sın Savoyerhandel mar er der Führer derjenigen Partei, welde für Befegung des verlebten neutralen SGebiet$ mit 150,000 Main war, im OSegenfjag zu der furchtfamern Partei Dubs, welche fich die Finger in Faucigny und Chablais nicht verbren» nen wollte. . Als Bundesrath arbeitete Stämpfli mit großer Energie für Reorganifation des Wiilitärwejens, für Erftellung von Alpenftraßen 2c. Die Furkaftraße ift fein Werl. Jm Eifenbahnwefen fämpfte ev von jeher für Centralifation, vermochte aber leider gegen die Cifenbahubarone nichts auszurichten. Im Fahre 1863 fchied er aus dem BundesrathH und ftellte fichh an die SpiBe der Eidgen. Bank, weil er dadurch feine finanziellen Verhältniffe zu Vverbeffern vermochte. Das Schweizervolf bedauerte diefen Austritt ; er Hat dem Nimbus des großen Staatsmannes auch eher gefchadet, al8 genüßbt. Eine große Ehre follte iHın in den Fahren 1871 und 1872 widerfahren; er wurde nämlich von England und der Union zum Schiedsrichter in dem zwifchen diefen beiden Staaten ausgebrochenen „Alabama-Streit" gewählt und entledigte fih feiner Wiffion mit foldjem Sefchid, daß er fidh das Lob und die Achtung der Parteien erwarb. Vor einigen Jahren trat er mit einer jährlihHen Penfion aus dem Dienfte der eigendöffifchen Bank und nahm feinen alten Beruf wieder auf. Seine einftige Kraft fHwand aber zufehends und man erkannte in der zufamımenfallenden Figur den alten Stämpfli der VBierziger- und Fünfziger Fahre beinahe nicht mehr. Nun hat er alfo der Erde ihren Tribut bezahlt. Stämpfli war ein markiger Charakter, alg Redner außer» ordentlich far und fchlagfertig ; er verfügte vermöge feines aus Berordentlichen Zahlen-Sedächtniffes iiber ein Lolojfales Zifferne material. Damit verband er einen eifernen Willen ; zwei konfervative Regierungen Half er ftürzen. Nody in den ebten Sahren tauchte er wiederholt in verfchiedenen Fragen als initiativer Kopf auf. Die Trauer um' das Hinfhwinden diefer Fntelligenz ift eine allgemeine. Stämpfli, der brave und große Berner und Seeländer, ruhe im Frieden ! Züri. Ueber die in Zürich ftattfindenden Toatafdemmn4 fratifhen Ueberfälle fchreibt man den „3. N." : Sn feinem Lande ohne Ausnahme würden Behörden und Bevölferung ruhig zufehen, wie arbeitsfchene, gewi{ffenlofe Maulhelden und Wühler, die aus ihrer eigenen Heimat bverjagt worden find, fich überall breit machen, die Gmftitutionen des Afyl gewährenden Landes in den Koth ziehen und einen früher unbekannten Klaffenhaß ausftreuen und unterhalten. InmEngs (and werden bekanntlich Flüchtlinge aller Art geduldet, allein der yefunde Menfchenverftand und Nationaljtolz mürde e& dort nie zulaffen, daß anrüchige Fremde fih in die einheimifhHe Politif mifchten und fo auftreten, wie eS Hier feitens der deutfchen Koms muniften gefchieht. — Die Regierung von Zürich Hatte einen angeblichen politifchen Slüchtling B., der fich für einen ruffifhen Unterthan auggab, ausSgewiefen, wogegen diefer an den Bundesrath rekurrirte. Der Bundesrath wies die BefHwerde ab und zwar mit folgender Begründung: Wenn B. nicht politifHer Flüchtling fet, wie von der Polizeidirektion Krakau behauptet werde, fo habe er behufs feiner Niederlaffung gemäß Art. 45 der Bundesverfafs fung und Art, 1 des Vertrages mit Rußland vom 26. Dez. 1872 einen Heimatfchein und eine gleihbedeutende Ausweis: fchrift beizubringen. Da er dies nicht thHıue, fo könne er auf den erwähnten Vertrag keinen Unfprucy wachen. Wenn DB. aber wirklich politijdher FJlüchtling fet, wie er behaupte, fo könne er ein Recht auf Niederlaffung nicht anfprechen, und: die Frage, ob das Afyl aus andern als politifchen Gründen zu entziehen fet, Liegt Lediglich in der Kompetenz der kantonalen Behörden. — Sm Palmengarten der TouhHalle Zürich werden Ber» fuche und Proben mit elektrifher Beleuchtung angeftellt, die nas türlich viel Publikum anziehen. Auch am Sängertag in Neus münfter will man diefe fortfeßen. -- In der „Zürcher Poft" wird bemerkt: „Einer der anımefenden Mifkroffopifer war ganz begeiftert, in diefemm erften Verfuche derartiger Beleuchtung das Andrechen einer beffern Zeit für feine Spezialftudien begrüßen zu dürfen, Das elektrifche Licht bringt für den, der bei Nacht am Mikrojfop zu fibßen genöthigt ift, in der That die befte SHmitation des freundlichen TageSlichtes. Verfuche mit [Hwachen und ftärkften Liufenfyftemen berechtigen zu der Zuverficht, daß durch das eleftrifche Licht für die Mikrofkopie, alfo für die exakte

Forfchung, die Lähmenden, trüben Wintertage ganz befeitigt werden." Schwyz. Die 11 Millionen Franken betragende Hintere Cajfenfhaft des in Wien verftorbenen Juweliers Martin Ott wird nicht an die Familie Ott in Sattel gelangen, wie ıuerft vermuthet wurde; die wirklichen Erben befindeir fihH in Bimmern, im Großherzogthum Baden, aus welchem Drte der ver: ftorbene Ott auch felbjt Herftammt. E3 Handelt fich einzig noch darum, zu ermitteln, ob die vorhandenen Ott in noch erbberechtigtem SOrade mit dem in Wien Verftorbenen verwandt find. — Dem „Fr. Schweizer" wird mitgetheilt, daß Hr. ZinggStoger in Sottlieben mit feinem Schraubenboote „Schwalbe" vom 15. Juli an zwei regelmäßige Sommerfurfe KüßnachtHertenftein«Stangsfiaad hin und retour auszuführen gedenfe. Diefer Gedanke fei um fo mehr zu begrüßen, da bis jeBt die Küßnachter nicht anders in'8 Untermaldnerland oder nach Sersau und Brunnen reifen können, als auf dem Umweg über Quzern. SolofhHurn. Im Laufe der Leiten Woche wurde im Bürgerfpital in Solothurn die einhHundertfte Operation feit dem 1. Sänner abhin vorgenommen. E8 ift dieß eine ganz außer: ordentliche Anzahl, menn man bedenkt, daß in den frühern SHahren in der nämlichen Anftalt Höchftens zwanzig und im ganzen leßten Fahre 100 Operationen ftattgefunden Haben, und gibt Zeugniß . von dent weitverbreiteten Zutrauen, Welche8 der Hochverdiente Spitalarzt mit vollem Rechte genießt. — Das „Olt. Volksblatt" berichtet folgendes widerliche Stücklein pfäffifchen Zelotenthums : . Cine Fran in Fulenbach, die in gefebmäßiger Ehe lebt, aber nur gefeßmäßig, nicht aber auch firchlich getraut ifjt, wagte e8 beim (lebten Fubiläum zur Beichte und fogar zum Zifche des Herrn zu gehen. Darüber entfeblihe Wuth der dortigen Hoc: mürden. Ein folcher Frevel fordert exemplarifche Ztrafe und Sühne zugleich für den entweihten Ort. Die vollzieht er auch. Nachdem er die MiffethHat der Gemeinde gebührend iMuftrirt, läßt er für die Arme das allgemeine Gebet beten. Er nennt fie zwar nicht mit Namen, aber jedermann kennt fie Graubünden. An Militärpflichterfaß für 1878 wurden in Binden allein 60,834 Fr. eingezogen. Und dabei hat man noch die fchlimme SGenugthuung, daß der Mannfchaftsbeftand der Batatllone immer mehr unter das Normale hHerabfinkt. Eine Befcheerung, wofür das Bündner Bolk wahrheinlich fich cbenfalls dankbar erzeigen foll. — Diefer Taxe ift in Brixen das erfte Huch in tYyrolifjdh-romanifcher Mundart, eine Ueverfebung der Sejchichte der heiligen Senofeva, gedruckt worden. Prof. Bidermann zählt im Zyrol 8957 ergentliche Ladiner und 10,322 eine ähnliche Mundart fprechende italianifirte Vadiner, ferner gibt c8 56,000 friaulfche Ladiner bei Oradisfa 2C. Die Sprache ift nächftvermandt mit den beiden Dialekten des bündnerifchen Romanifch, das von etwa 30,000 Menfchen gefprochen wird und bereits eine cigene Viteratur bvelißt. -- An Dienftag find die vielerwähnten Steinböcke aus dem Aoftathal in Chur angelangt. E8 find — fagt der „Ur. Rhätier" -- fhöne und wohlerHaltene Zhiere, zuinal die zwei Böce, welche mit ihren gewaltigen, KMotigen Hörnern ein recht mährfchaftes Ausfehen haben und fi in ihren temporären Köfigen recht fehr nad) der alten Bergfreiheit fehnen mögen. Senf. Hier foll dem vielgenannten und bekannten Ma: fer und Novellijten Töpfer, geftorben 1846, ein befcheidenes Dentmal gefeßt werden. Ein Sohn des Verftorbenen, der als Bildhauer in Paris lebt, will die Büfte in Bronze unentgeltlich liefern. Töpfer war anfänglidhH in Frankreich und der Schweiz wenig bekannt, erft als Heinrich Z{Hokffe die «Nouvelles genevoises» in zwei Bänden im Fahre 1839 durch eine meifterhafte Ueberfeßung in die deutfche Literatur einführte, gewannen fie auf franzöfifchent und deutfchem Sprachgebiete Anz fang und Verbreitung. — Der „SGenevoi8" erinnert bei Aulaß de8 18. Mai und Artitel 65 daran, daß am 7. Januar 1871 auf. Antrag von Marc Heridier die Frage der Abfchaffung der Todesftrafe an eine Kommiffion gewiefen und fhon am 24. Mai deffelben Jahres mit 47 gegen 10 Stimmen die Abolition befchloffen wurde.

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