Täglicher Anzeiger für Thun und das Berner Oberland, Band 31, Nummer 128, 1. Juni 1907 — Kantone. [SECTION]

Kantone.

Zürich. Johannes Sigg ist, da er nach seiner Entlassung aus dem Bezirksgefängnis in Winterthur nach Zürich zurückkehrte, von einer nach Tausenden zählenden Schar von Arbeitern mit Fahnen und Musik am Bahnhof abgeholt und im Zug zum Römerhof begleitet worden, wo auf dem Turnplatz ein Podium errichtet worden war. Dort hieß ihn der Präsident der Arbeiterunion, Redakteur Tobler, willkommen. Der also Begrüßte gratulierte der Arbeirerschaft zu deu Erfolgen, die sie während der Zeit seiner Strafe errungen, und sagte dann unter anderem, es glauben nun wohl viele, er sei „zur Besinnung" gekommen, indessen habe er schon in der Bahn einem erklärt, er sei nicht so zahm geworden wie sei» Kanarienvogel, daß er jetzt aus der Hand fresse. Bürgerliche Herren, fuhr er fort, behaupten, der Zukunftsstaat sei ein Zuchthausstaat. „Im Zuchthaus habe ich ein Stück Zukunftsstaat kennen gelernt, indem ich erfuhr, mit viel Freude man arbeitet, wenn mau die Gewähr hat, daß man eS für sich und nicht für einen Unternehmer tut. Daß ein solcher Zukunftsstaat erreicht werden kann, dafür wollen wir einträchtig kämpfen." lieber die Arbeit, die der neue Redakteur des „Volksrecht" im Gefängnis getan, berichtet die „Winterthnrer Arbeiterzeitung": „Von Beruf Kunstmöbelschreiner, hat er eine ganze Reihe prächtiger Ausstattungsstücke, zuletzt ein großes modernes Büfett vornehmsten Stils gearbeitet im Gefängnis. Der Mangel dev neueren technischen Hilfsmittel, welche ihm zum Beispiel fehlten für das Fournieren großer Flächen — den ersetzte er durch seine Kenntnis der Hand« arbeitSmethoden des alten, guten Handwerks. DaS im Cafö Fritschi erstellte Büfett, welche als Vignette aus einer Schublade bezeichnenderweise eine SimplizifsimuS Bulldogge in kunstvoller, dreifarbiger Holzeinlagearbeit trägt, ist wohl bestimmt, dereinst eine gewisse historische Bedeutung zu erlangen."