Täglicher Anzeiger für Thun und das Berner Oberland, Band 19, Nummer 298, 17. Dezember 1895 IIIF issue linkLidgenossenschaft [SECTION]

Lidgenossenschaft

— Gegen den Bund. Die außerordentliche Generalversammlung der Aktionäre derJura-Sim-plonbahn, die am Donnerstag in Lausanne stattsand, mar sehr stark besucht und cs entwickelte sich eine lebhafte Diskussion. Es handelte sich um Abänderung der Statuten, um dieselben mit dem Bundesgeseh über das Stimmrecht der Aktionäre in Uebereinstimmung zu bringen. Zwei Genfer stellten den Antrag, jede Abänderung der Statuten zn verweigern und gegen die Verletzung der wohlerworbenen Rechte der Aktionäre zu protestieren. Bankier Morel von Lausanne schloß sich diesem Protest an, empfahl aber „Ja" zu stimmen, um sich nicht noch der letzten, den Aktionären gebliebenen Rechte zu begeben. Im Namen des Bundes sprachen dessen Vertreter im Verwaltnngsrate, die Herren Keel und Geilinger. Letzterer verteidigte die Eisenbahnpolitik der Eidgenossenschaft und wurde während seiner Rede mehrmals Gegenstand feindseliger .Kundgebungen. Mit 79,670 gegen 34,214 stimmen, also mit mehr als den erforderlichen zwei Dritteln, wurde die Statutenänderung genehmigt. Darauf Unterzeichneten aber 60 Aktionäre einen Protest gegen das Stimmrechtsgesetz, das die Aktionäre in ihren wohlerworbenen Rechten verletze. — Militärisches. Nächstes Jahr hat das dritte Armeekorps (sechste und siebente Division) seine Armcekorpsübung zu bestehen. Die Infanterie des Auszuges des vierten Armeekorps (vierte und achte Division) hat bataillonsweise Wiederholungskurse zu bestehen. Einberufen werden nach dem Anträge des Bundesrates zehn Jahrgänge. Zu den Wiederholungskursen der Landwehr werden die Regimenter 3, 4, 5, 6, 9, 10, 19 und 20, sowie die Schützenbataillone 2 und 3 einberufen und zwar mit je neun Jahrgängen. In allen Divisionen werden drei JnfanterieRekrutenschulen stattfinden. Um eine gründlichere Ausbildung der Rekruten zu ermöglichen, soll das Cadre jeder Rekrutenschule um acht Unteroffiziere verstärkt werden. Vom bewaffneten Landsturm der Infanterie werden die Cadres zu zweitägigen Cadrekursen und hernach Cadres und Mannschaften zu eintägigen Inspektionen und selddienstlichen Hebungen einberufen. — Schweizerische Landes -Ausstellung, Genf 1896. Gruppe 39 (Landwirtschaft. Die Anmeldefrist in Sektion I (Wissenschaftliche Abteilung) der Gruppe 39 der Schweizerischen Landesausstellung in Genf läuft mit dem 31. Dezember nächsthin ab. Wenn auch die Zahl der bereits in dieser Sektion eingeschriebenen Aussteller eine sehr erfreuliche genannt werden darf, glaubt doch das Spezialkomitee, daß in Anbetracht der vielen thätigen Kräfte, über welche unser Land gebietet, dieselbe noch um ein bedeutendes erhöht werden könnte. Es richtet daher an alle sich in der Schweiz mit wissenschaftlichen Fragen auf dem Gebiete der Landwirtschaft beschäftigenden Vereine und Personen den dringenden Aufruf, ihre Arbeiten dem Publikum vor Augen zu führen und sich zur Beteiligung in diese Sektion noch rechtzeitig anzumelden. Beteiligungsformulare, Programme und jede gewünschte Auskunft sind auf Anfrage vom Spezial-Kommissär der Landwirtschaft, Landesausstellung, Genf, sowie von den Kantons-Kom-missären erhältlich.

Bern. In dem soeben zum Bundesrichter gewählten Herrn Lienhard haben wir wieder einmal den lebendigen Beweis, daß ein charakterfester Mann sich ohne Glücksgüter in die Höhe arbeiten kann. Herr Lienhard hat schon als Schulknabe in seinem Heimatorte Bözingen das selbstverdiente Brod der Arbeit gegessen, denn seine Eltern hatten ziemlich schwer mit des Lebens Not zu kämpfen. Er lernte die Uhrmacherei, sprang aber dann von diesem Beruf ab und kam zu einem Advokaten als Schreiber. Dort blieb er sieben Jahre und eignete sich eine schöne Summe praktischer juristischer Kenntnisse an. Im Jahre 1874 erhielt er eine Stelle auf der bernischen Justizdirektion unter Regierungsrat Teuscher, was ihm ermöglichte, die Ncchtskollegien zu besuchen und sich zum Notar auszuhilden. Mit dem Patent als Notar in der Tasche wurde er 1877 zum Sekretär der Direktion des Innern gewählt. Von da an wurde man auch in weitern Kreisen auf Herrn Lienhard aufmerksam und im Jahre 1882 wählte ihn der Große Rat zum Oberrichter und später zum Regierungsrat. Bis heute ist er aber ein freundlicher und einfacher Mann geblieben. — Obstgärten im großen MoosKorrektionsgebiet. Die bis jetzt unter dem Schutz einer dichten Eschcnallee gepflanzten Obstbäume tragen oft reichlich Früchte. Die Sorten sind sehr gewählt. Die Baumentfernungen bei den ersten Pflanzungen sind zu eng genommen worden, was aber bei späteren Anlagen vermieden ist. Der Beweis ist erbracht, daß Obstanlagen, Aepfel, Birnen, besonders Pflaumen und sogar Nüsse, bei guter Pflege reichlich Früchte tragen. Es hat sich jedoch auch gezeigt, daß auf freiem Felde, wo die Luft ungehindert durchziehen kann, das Fortkommen von Fruchtbäumen nicht genügend sicher ist; es müssen solche immer an etwas geschützen Stellen gepflanzt werden. (Otto Kellerhals, Verwalter von Witzwil.) — Die bernische Deputation in der Bundesversammlung feierte die Wahl ihres Kollegen Lienhard in das Bundesgericht durch ein Mittagessen. Der Gewählte erklärte bei diesem Anlaß, daß ihm der Weggang von Bern schwer falle; entscheidend aber sei für ihn gewesen, daß er sich mehr zu dem Richterstuhle als zu der Staatsverwaltung hingezogen fühle. — Konolfingen. Der Bericht der Amtsersparniskasse teilt mit, daß sie im letzten Geschäftsjahr mit den eingeführten Sparkarten gute Erfahrungen gemacht habe. — Oberland. Die bernische Regierung hat das Begehren der Thunerseebahn um Erhöhung der Fahrtaxen vom Bundesrat zur Begutachtung erhalten und wie das „Oberländer Volksblatt" vernimmt auch prinzipiell zustimmend beantwortet. Es sei nämlich erwiesen, daß 90 Prozent der Reisenden Fremde seien, welche den Zuschlag nicht spüren würden. Die keine zehn Prozent ausmachendcn einheimischen Passagiere sollen durch billige Abonnements entschädigt werden. Immerhin habe die Regierung den Wunsch ausgedrückt, es möchte die Bahngesellschaft sich mit den Gemeinden, welche Einsprache gegen die Taxerhöhung erhoben, zu verständigen suchen. — Wimmis. Der Kirchgemeinderat will der nächsten Kirchgcmeindeversammlung die Anschaffung einer neuen Orgel beantragen.

— Adelboden. (Korrespondenz vom 14. Dezember.) Letzten Freitag fürchtete man, die Wirbelstürme vom 6. und 7. Dezember wollen sich grad nochmals wiederholen. Der Föhn fing wieder ganz bedenklich zu blasen an und in den Wäldern toste es unheimlich. Indessen lief diesmal der Sturm viel gelinder ab, der Wind legte sich bald und machte anhaltendem Schneefall Platz. Freitag und Samstag fiel eine große Schneemasse, und wir stecken nun tief im Winter drin. Der Waldschaden vom 6. und 7. ist in einigen Wäldern sehr groß. — Die Aktionärversammlung der Dampfschiffgesellschaft hat am Samstag die von uns schon früher im Wortlaut mitgeteilte Uebereinkunft angenommen mit rund 2100 Ja gegen zirka 100 Nein. Die Generalversammlung der Thunerseebahn in Bern weist ungefähr die gleichen Zahlen im gleichen Sinne auf. Die Uebereinkunft ist also von beiden Versammlungen angenommen worden und kann durchgeführt werden, sofern die beiden Bedingungen, namentlich diejenige betreffs Taxerhöhung, eintreten. Wie man vernimmt, soll die Taxerhöhung die 3. Klaffe der Bahn, überhaupt die einheimische Bevölkerung möglichst wenig treffen und belästigen. Vor allem handelt es sich auch um die stets häufiger werdenden Rund« reisebillete. Offiziell wird uns soeben mitgeteilt: Es haben die Fusions-Uebereinkunft angenommen : Dampfschiffgesellschaft mit 2085 Ja, 105 Nein, 6 Enthaltungen; Thunerseebahn mit 2205 Ja, 120 Nein, 326 Enthaltungen. Im gegenseitigen Einverständnis soll die Minderheit des in Art. 7 der Uebereinkunft erwähnten Ausschusses berechtigt sein, zu verlangen, daß auch die Frage, „ob die in Art. 5 gemachten Vorbehalte erfüllt seien" dem in Art. 8 vorgesehenen Schiedsgerichte zur endgültigen Entscheidung übertragen werde. Zürich» In Zürich entbrennt der Kampf für und wieder die V i v i s e k t i o n. Das Gewicht der 11,000 Unterschriften wird durch die Art und Weise, wie sie zusammenkommen, abgeschwächt. — Der Verband schweizerischer Brauereien, der am 12. in Zürich tagte, hat eine einheitliche Arbeitsordnung für alle Brauereien der Schweiz durchberaten und genehmigt. Luzern. In Hellbühl sind laut „Volksbl." in letzter Zeit mehrere schwere Typhusfälle vorgekommen. — Hellbühl. Schwer ist die Familie Hunkelcr, Posthalter heimgesucht worden. Ein Nervenfieber raffte zuerst die Schwiegermutter des Hrn. Hunkelcr dahin, dann ihn, den kräftigen Mann, selbst; letzten Sonntag wurde auch seine Gattin beerdigt, und zwei Söhne, sowie noch ein anderes Familienmitglied liegen krank darnieder. Freiburg. Wie man Bürger wird. Im Großen Rat wurde auf ein Vorkommnis hingewiesen, das in seiner Art wohl einzig dastehen dürfte. Suchte ein geistlicher Herr von der Universität das Bürgerrecht in einer Gemeinde des Kantons Freiburg und er fand auch bald ein gläubiges Gemeinwesen, das die große Ehre zu schätzen wußte, ein kleines Zwerggemeindchen, das vielleicht kaum sein Dutzend stimmberechtigter Bürger zählt, das freudig bereit war, seinen kleinen Kreis zu erweitern. Die Freude in Israel war

so groß, daß man eine ganz unverschämt billige Einkaufssumme von Hochwürden verlangte, bloße 100 Fränkli. Allein, es wurde das Bürgerrecht doch nur unter einer Bedingung erteilt, nämlich daß jeder Teilnehmer an der Bürgerversammlung fünf Fränkli Trinkgeld voin geistlichen Herrn erhalte. Die Bedingung wurde von diesem acceptiert und froh über den Bürgerbatzen feierten die Glücklichen ein frohes Fest. St. Gallen. In St. Fieden starb Kantonsrichter Thomma im Alter von 75 Jahren. Derselbe war 1874 —84 Mitglied des Nationalrates, 1879—91 Mitglied des Negierungsrates. In der liberalen Partei des Kantons St. Gallen nahm der Verstorbene eine hervorragende Stelle ein. Aargau. Für den Klosterbrand in Muri soll nachträglich der Staat wegen Fahrlässigkeit seiner Organe haftbar erklärt werden. Die Anregung ist in der Generalversammlung der Kuliurgesellschaft Zofingen von Herrn Paul Bär gemocht worden. Waadt. Der Gemeinderat von Lausanne beschloß die Errichtung eines neuen Gefängnis gebäudes mit Sitzungssälen für das Bezirksgericht und die gewerblichen Schiedsgerichte. Das Gebäude soll auf 530,000 Fr zu stehen kommen. — Für Ausführung der Brückenprojekte Montbenon und Carolin soll demnächst ein Anleihen kontrahiert werden.

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