Neue Zuger Zeitung, Band 32, Nummer 92, 17. November 1877 IIIF issue linkSchweizerisches. [ARTICLE]

Schweizerisches.

— Finanzwesen. Der „Bund" gelangt in einer Reihe von Artikeln über die Wiederherstellung des Gleichgewichts in den Bnndesfinanzen zu folgendem Resultate: „Nach einer nähern Würdigung aller Vorschläge, welche die ständeräthliche Kommission zum Zwecke der Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Ausgaben und Einnahmen im Haushalt der Eidgenossenschaft gemacht hat, gelangen wir zu dem Schluffe, daß diese Vorschläge zum Theil ihre gute Berechtigung haben, daß sie aber Palliativmittel sind und nicht die Kraft haben, zu heilen. Soll das Defizit in fder Bundesverwaltung, welches chronisch zu werden droht, bleibend verschwinden, so bleiben nur zwei Auswege: Vermehrung der Einnahmen durch Erhöhung der Zölle oder Reduktion der Ausgaben durch Revision der ArmeeVerfassung; ein Drittes gibt es nicht; mit Ersparnissen im Kleinen kann nicht mehr gründlich geholfen werden. b'Ijj!»:: n— — «ua Was ist des Zugcrs Vaterland? " Jst's, wo re. O nein, o nein, o nein! Sein Vaterland muß größer sein. So sagen's die Herren Eidgenossen auf dem Departements des Innern in Bern (viäo Schriftstücke des eidg. Departements des Innern betreffend die Wafferverheerungen in der Schweiz vom Juni 1876, xaZ. 83). So melden's die Herren von der Allg. SchweizerZeitung in Basel (viäo Nr. 263 v. 10. ds.) So wollte es im verfl. August auch das schweiz. Kommissariat in Zürich für die nächste Pariser-Ausstellung haben. Nach diesen drei Quellen nämlich gehört die seit alten Zeiten gut schwyzerische Gemeinde Art h zum — Kanton Zug. Das zweite Alinea des bekannten Artikel 27 ist zwar ganz anderer Leute wegen in die Bundesverfassung hinein praktiziert worden. Aber so ganz überflüssig ist es, wie Figura zeigt, doch nicht.

Z Baar. (Einges.) Etzliche Pulver und schmakhafte Sachen in die einwohnerräthlichen Kilbikrapfen und dem gemeinen Mann Spek a d'Näbe. Wir Baarer sind bekanntlich die Letzten mit der Kilbe, und waren, wenigstens früher, nach dem Sprichwort am besten dran. Wenn gezinset ist beim Einen, und der Zins eingegangen beim Andern, dann ist gut Kilbe halten. So dachten's unsre Alten. Aber das Alte gilt blutwenig mehr, und jetzt schiffen wir ganz in einem andern Wasser. Unser Einwohner-Rath, der auch nicht mehr eine Gattig macht, wie der alte Gemeinderath, und sich nichl mehr beschreibt: Wir Präsident und Näthe, sondern: Wir, die Räthe und der Präsident; also schlechterdings seinen Präsident hintenansetzt und dieser bloß noch zum Schein seinen Karli Joseb unterschreiben darf, trägt über unser Kilbileben ganz andere Anschauungen. Noch vor den schönen Kilbitagen, wenig bekümmert, ob der Zins gegeben oder gekommen, ob viel oder wenig Erdäpfel und Räben eingeheimst, rührt er eine andere, als die Küchlipfanne, daraus es übel duftet, und ein widriger Qualm in alle Häuser dringt, so daß wir fürchten, er verderbe manchenorts das Krapfenkosi. Unser Rath begieng die Jndelikateffe, di.' Einwohner vor der Kilbe in Besitz eines Steuer-Zeddcls für bloß anderthalb Jahr mit 2'/« st> o inilis Vermögen mit entsprechender Zuthat (3 Fr. für den Kopf und 2'/« Fr. für die Familie) zu setzen. Gewiß ein Zeugniß besonder» Verwaltungstalenes, das herausfindet: Wenn d'Leut Geld zum Kücheln haben, so haben sie auch Geld zum Steuern. Gute Leut', essen wir diesmal noch einmal unsre Krapfen möglichst fröhlich, es kommt noch bester Mit der nächstjährigen Kilbe nimmt man bloß mehr Wasser statt Milch in's Mehl, und wird der Teig noch zäher zum Dröhlen durch die neue Schulsteuer. Doch, was plagen wir uns mit solch' sinnlichen Gaumengenüffen und den trocknen Steuern, unser Rath hatte anderes im Interesse unsrer Gemeinde zu leisten, und was der Verstand des Verständigen nicht sieht, findet unser Rath. Während unsre Einwohner an den Steuerzeddeln die Zähne stumpf nagen, sucht unser Rath eidgenössischen Ruf als Hemmer aller geordneten Zustände im Kanton und als Rekurströler ersten Grades; diesfällige Kosten zahlt der Steuerbeutel. Zwar sollen auch einige Wölklein in der gemeinderäthlichen Atmosphäre aufsteigen, wo die größten Gestalten nur mehr Schatten werfen, und was bürgerlich heißt, blos mehr Schleppträgerdienst thut. Der Luzerner treibt's in der höher» Rekurs- und Protestpolitik und hat's von jedem Gang und von jeder Folioseite; und der Züribieter stöbert in den Rechnungs- und Kanzleipapieren, treibt und plagt den sonst „in der Wolle gut liberal gefärbten" Schreiber zu verzweifelter Politik; kurz, unsere fünf Baarer seien

sammt Kanzler in Ansehung ihrer Bedeutungslosigkeit vor den Augen ihrer zwei Kollegen, welche mit Heimatscheinen „aus der Fremd" da seien, ziemlich drastisch gelaunt. Und es könnte doch noch ins Reich der Möglichkeit fallen, daß unsere zurück und auf die Seite gestellten bürgerlichen Einwohnerräthe etwelche Sympathie von Seite der Bürger wieder verdienten, da es heißt, die Negierung endlich wolle ernst unfern Einwohnerrath für seinen Ungehorsam aus den Tagen des Jänners und Hornungs bei den Ohren nehmen, wobei unsre Bürgerlichen sich gewiß durch Selbsthandeln wenig versündigt haben, aber, weil mitgegangen, mitgefangen und mit gehangen werden müssen. Wenn dann aber die Tage der Trübsal und Heimsuchung über unsere Einwohnerräthe Hereinbrechen sollten, dann lassen die bis dato übelbehandelten Bürger nicht ermangeln, Steuer und versalzene Krapfen vergessend, das Klagelied: Götter, habt Erbarmen anznstimmen und mit dem Bußsack angethan durch die neue Verbindungsstraße Bühl-Leimgaß zu ziehen, und diese, als ein Werk des gebüßten Raches, zu dessen envgem Andenken, wie es an großen Orten zur Erinnerung seltener Ereignisse üblich ist, mit dem Namen Gerechtigkeitsstraße, oder auch Armensündergäßli zu belegen. Jst's Kilbi, so sei's Kilbi, erster Theil! Bern In Münster ist letzter Tage der 23ste staatskatholische sog. Geistliche, ein gewisser Sterlin, der von allen Seiten betrieben war, verschwunden, nachdem er in einem halben Jahre ein einziges Kind getauft, circa 1500 Fr. Besoldung verzehrt und sonst nichts gethan hatte, da seine Gemeinde kein Dutzend Gläubige zählt. Etwas Neues sind zwar solche erbärmliche Zustände nicht mehr. Bemerkenswerth ist nur, daß die Berner Negierung so muthwillig und beharrlich fortfährt, sich selber zu blamiren. Als sie im letzten Frühling diesen Herrn, der in Frankreich einen Pomadenhandel getrieben hatte, anstellte, waren wenigstens schon 20 ihrer theuren altkatholischen Pfarrer durchgebrannt, und sie konnte sich unmöglich verhehlen, daß es mit diesem Pomadenhändler das nämliche Ende nehmen werde. Zürich. Landwirt!) Jakob Wyß vom Birchhof Brütten, hatte mit Frau und Tochter am 7. Nov. den Martinimarkt in Winterthur besucht, war in Töß noch eingekehrt und folgte vor halb 7 Uhr den vorangegangenen Frauen mit Kreisrichter Weilenmann von Mattlikon; auf der Steigstraße an der ersten Biegung des Weges im Walde gesellten sich zwei Italiener zu ihnen, von denen jeder rechts hinter einem der Heimkehrenden Posto faßte. Wyß begrüßte sie freundlich und vertröstete die etwas von Verdienstlosigkeit murmelnden Vaganten mit der Aussicht auf Arbeit vom Gemeinderath Brütten. Kaum aber war er seinem Begleiter um etwa fünf Schritte vorausgekommen, als er ausrief: „Ich bin gestochen! Fliehe, Fliehe,

es ist einer so schlecht wie der andere!" Die Banditen nahmen auf diesen Ruf Reißaus mit dem, dem Wyß entrissenen Paket Tuch und Weilenmann rannte keuchend zu den '/» Stunde weit entfernten nächsten Häusern, um Hilfe zu holen. Als diese kam, schlug der Ermordete noch einmal die Augen auf und war dann eine Leiche. Ein des Mordes verdächtiger italienischer Arbeiter ist auf dein Bahnhof Töß abgefaßt worden. — Unsere Leser erinnern sich noch des vor einigen Monaten in Zürich verübten Postdiebstahls, indem von einem Postkarren eine bedeutende Summe in Valoren (darunter Bonds im Betrage von 5000 Dollars oder 25,000 Fr., Banknoten im Betrage von 5000 Fr. angegeben und versichert) gestohlen wurden. Der Thäter entfloh und erreichte England, wo man ihm endlich durch die Ausgabe der amerikanischen Bonds auf die Spur kam und ihn dingfest machte. Er gab sich für einen Amerikaner aus, bis ihn die Londoner Detektives als gerichtsbekanuten Gauner englischer Nationalität, Namens Alfred Thomas Wilson, entlarvten. Der Richter erster Instanz sprach endlich auf das Begehren der Eidgenossenschaft seine Auslieferung aus. Die unerforschlichen Wege der englischen Justiz führten den Fall jedoch vor die zweite Instanz, den Gerichtshof der Königin (Oeons Oonob), und der Lord Oberrichter fand in . dem delikaten Verfahren so viele Anstände, daß er endlich die Auslieferung verweigerte. Nun wird man meinen, die englische Justiz werde den säubern Vogel schon des Weitern behandeln, und ihm die Freiheit zu weiterer Diebsthätigkeit benehmen. Mit Nichten! Darin liegt das Unbegreifliche des englischen Criminalprozesses und das Dunkel im Auslieferungsvertrage zwischen England und der Schweiz. Der Dieb wurde vom Oberrichter, nicht von der Jury verwiesen, er behält Bonds und Banknoten und die Freiheit, sich seines Raubes zu freuen, und die Schweiz trägt den Schaden, denn sie mußte bereits 25,000 Fr. für die Bonds und 5000 Fr. für die Noten den Aufgebern entschädigen und außerdem 10,000 Fr. Unkosten für Habhaftwerdung und Ueberweisung des Thäters tragen. Der Fall wird sicher das größte Aufsehen machen, und hoffentlich zur Klarstellung des Auslieferungsverhältniffes zwischen der Schweiz und England führen. Frciburg. Freiburger, die in Genf ihre Nekrutenschule als Angehörige des Sanitätsdienstes zu machen hatten, wurden von einigen Instruktoren und besonders vom Oberarzte wegen ihres Bekenntnisses verspottet, als „Jesuiten", ja als „schändliche Jesuiten" angeredet. — Seit etwa 14 Tagen ist die Gegend am Gibloux, in der Nähe von Nomont, in großer Aufregung. Ein Brandunglück folgt auf das andere, überall Abends oder Nachts, überall ohne bekannte Ursache des Brandes, und an einigeir Orten unter Umständen, die auf böswillige Brandstiftung schließen lassen. In dieser kurzen Zeit kamen 6 Feuersbrünste vor. Schafshousen. Anläßlich der Frage, wie man die Einnahmen, fei es des Bundes oder auch der Kantone, erhöhen könne, wozu man unter andern eine Tabakssteuer in Aussicht nimmt, schlägt ein Einsender im „Schaffh. Jntelligenzblatt" eine andere Steuer vor, die kein Lebensbedürfnis; treffe, denn der Tabak sei für gewisse Leute ein solches, nämlich die Steuer auf Spielkarten. Diejenigen, welche von dieser betroffen werden, meint der Einsender, können's ja zahlen und auch jeweils die Kartensteuer von 50 Np. per Spiel „ausmachen" oder „im Spiel gelten lassen." Waadt. In Lausanne kamen einige Liebhaber auf die originelle Idee, ein „Nachtschießen"

zu veranstalten. Es begann Abends 6 Uhr und dauerte bis 10 Uhr und wurde von zirka 40 Schützen besucht. Die Scheiben waren beleuchtet. Auf 700 Schüsse in der Distanz von 300 Meter waren 620 Scheibentreffer, davon 200 Carton und 35 bis 30 Nummerntreffer. Man glaubt, diese Neuerung werde sich einbürgern. Genf. Sonntag fand die Gesammterneuerung des Staatsrathes statt. Die Carteret-Partei hielt Versammlungen. An einer solchen zu Bernex hatte Groffelin die Unverfrorenheit, die Landbevölkerung vor der verlangten gemeindeweisen Abstimmung zu warnen. — Aus der Untersuchung betreffend die Fälschungen bei der Wahl von Staatsrath Gavard wird mitgetheilt, daß im Ganzen nicht weniger, als zwölfhundert Stimmzettel betrügerisch in die Urne gelegt worden seien, daß ein Mitglied des Wahlvorstandes (Duchesne) vergeblich gegen die Anerkennung von ganzen Packeten als gültige Stimmgebung sich verwahrt habe. Noch hat sich die Anklagekammer nicht ausgesprochen. Man wolle einfach geltend machen, das Gesetz strafe derartige Betrügereien nicht — ferner, man habe den Hauptbetrüger nicht ausfindig machen können, obwohl man auf einen gewissen Menschen mit Fingern weist! — Behufs altkatholischer Beerdigung wurde einer in Genf niedergelassenen Familie aus dem Kanton Freiburg eine Kindsleiche aus dem Spital entwendet, der Hauptthäter ist ein gewisser Hellio, der einem Seminar in Paris entlaufen ist. Hellio und die Seinigen nahmen dazu die Hilfe der Polizei in Anspruch. Die Stunde der Beerdigung war auf 9 Uhr angesetzt, aber schon um 8 Uhr schwärmte eine Zahl Schergen um das Haus und auf Befehl eines oerselben wurde die Leiche schon eine halbe Stunde vor der bestimmten Zeit fortgetragen. Hellio Unterzeichnete sich als „Priester und Helfer", ist es aber nicht; er soll aber nun nach Bern gehen, um seine Ausbildung zu vollenden. Ein Freund der Familie wollte nachher auf dem Rathhause Beschwerde führen, wurde aber vom Einen zum Andern geschickt, ohne den Vorsteher des Polizeiwesens, Heridier, zu Gesicht zu bekommen, und als er zudringlicher wurde, drohte man ihm mit Einsperrung. Auch Mutter und Tochter Baudois suchten vergeblich Heridier zu sprechen! Wenn das ferne in Amerika oder Spanien zu Ungunsten von Altkatholiken geschehen wäre! So aber wird der Leichenraub wieder einfach todtgeschwiegen, da er ja nur an katholischen Freiburgern verübt worden ist!!

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