Eidgenössische Zeitung, Nummer 68, 10. März 1861 IIIF issue linkBoller-Angelegenheit. [ARTICLE]

Boller-Angelegenheit.

Von den Herren Böller und Comp, erhalten wir folgende Erklärung: Im Interesse der Wahrheit ersuchen wir Sie um Aufnahme folgender Erklärung: 1) Die gemäß dem mit der Ostwestbahn unter'm 21. Jänner 1859 abgeschlossenen Vertrage (viele Nr. 58 der Eidg. Ztg.) eingetauschten Werthpapiere dieser Gesellschaft wurden von mehreren Personen übernommen zum Zwecke materieller Unterstützung des Unternehmens. 2) In der Absicht, ^ einerseits den Wünschen der Uebernehmer um billige Ermäßigung des Kaufpreises, anderseits den Interessen der Gesellschaft in soweit Rechnung zu tragen, daß dieselbe nicht von vorneherein mit einem nicht mehr gut zu machenden Verlüfte belastet werde, erklärte sich die Direktion für die Annahme des Gezenwerthes in Union suisse-Aktien, die zu diesem Zwecke gekauft werden mußten. 3) Diese Werthpapiere waren damals, d. h. in den ersten Wochen des Jahres 1859, zu einem Kurse notirt, der zwischen 390 ä 400 (Geld) bis 400 ä 405 (Brief) schwankte (viele Handeis- und Gewerbezeitüng und Basler - Kursblatt ) Niemand ahnte, daß die Aktien der Union suisse, deren Linien damals zu einem bedeutenden Theile noch nicht einmal im Betriebe waren, eine Entwerthung, wie sie nachher ei folgte, erleiden würden. 4) Die Differenz, welche sich im Verhältniß des Uebernahmspreises der Ostwestbahnpapiere gegenüber dem Ankaufspreise der Union Luisse - Aktien ergeben, ist den sämmtlichen Uebernehmern als eine Ermäßigung der Uebernahmspreise pro rata zugefallen. 5) Die nachträglich einbedungenen 300 Obligationen (früher sog. Prioritätsaktien), welche sämmtlichen Betheiligten reservirt werden, wurden als eine Garantie gegen zu großen Verlust gefordert und gegeben. Man wird kaum finden, daß dadurch für die Betheiligten das Geschäft ein beneidenswerthes geworden fei. 6) Die Vertragsbestimmung, betreffend die Kapitalanleihung, wurde auf den Wunsch der Uebernehmer aufgenommen, denen zur Zeit deS Vertragsabschlusses eine sofortige Baareinzahlung nicht konvenirte. Die anerkannte Solidität dieser Personen war für die Gesellschaft hinreichende Garantie für die Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen. Thatsache aber ist es, daß bei der zu unferm Bedauern nachher eingetretenen Unzulänglichkeit der Mittel der Gesellschaft die Unterzeichneten für das Kapital, das sie beschaffen mußten, nur ratenweise und erst im Laufe des letzten Monates gedeckt worden sind. 7) Es ist hiernach klar einerseits, daß bei'm Vertragsabschlusse alle Kontrahenten in guten Treuen gehandelt, und daß namentlich von Niemanden die Union 8ui88e- Aktien, deren Einkaufsbetrag baar bezahlt werden mußte, als auch nur theilweise werthloses Papier betrachtet werden konnten, anderseits, daß ein Benefice aus diesem Geschäfte, an wen immer, nicht gelangt ist. Ein weiterer Beweis liegt übrigens in dem Umstände , daß Niemand daran dachte, von der im Vertrage vorgesehenen Fakultät, wonach die Zahl der übernommenen Aktien hätte verdoppelt werden können, Gebrauch zu machen, sowie wohl auch darin, daß jeder der Uebernehmer - wir zweifeln nicht daran — mit Vergnügen immer bereit, war und sein wird, seinen Antheil zum Kostenpreise abzutreten.. 8) Was schließlich unsere persönliche Mitwirkung zu fraglichem, in seiner Art uns sonst fremdartigen Geschäfte betrifft, so fand dieselbe — wenn wir auch

hierüber noch ein Wort verlieren sollen — Veranlassung in unsrer persönlichen Beziehung zum Vorstände der Ostwestbahn und ihren Grund in der Anerkennung der von seiner Seite früher einem öffentlichen gemeinnützigen Unternehmen ähnlicher Art, dessen Zustandekommen uns sehr nahe ging, in uneigennütziger Weise gewährten Unterstützung. Heinrich Boller u. Comp. Nachtrag. Obiges war geschrieben, als uns die Nrn. 63 und 64 der Eidg. Ztg. mit ihren Anschuldigungen gegen uns zukamen. Wir finden uns dadurch noch zu folgenden nachträglichen Bemerkungen veranlaßt: Wie aus Obigem hervorgeht, find sowohl Voraussetzung als Zahlenangaben total unrichtig. Wir beziehen uns hinsichtlich des letztern Punktes aus die Bücher und Skripturen der Ostwestbahn selbst. Falsch ist vor allem die Voraussetzung, daß wir für unsere eigene private Rechnung gehandelt, sowie daß wir die Zahlungsunfähigkeit der Ostwestbahn vorausgekannt hätten. Es wird und kann das im Ernste Niemand glauben. War man ja doch damals allgemein der Ansicht, daß ein Aktienkapital von nahezu 10 Millionen gedeckt sei. Falsch sind aber auch die Angaben der geschehenen Rückzahlungen, sowohl mit Bezug auf deren Höhe als deren Zeitpunkt. Thatfache ist, daß wir außer unfern Ba>, rauslagen nebst dem landesüblichen kaufmännischen Zinse und der Kursdifferenz, welche wir den Uebernehmern zu vergüten hatten, gar keine Zahlungen erhielten, sowie auch, daß wir erst Mitte Juli 1859 die erste realisirbare Anschaffung und erst im Laufe des Monates Februar d. I. die Schlußzahlung erlangten, die es uns möglich machte , die Abrechnung für die Unternehmer zu stellen. Und als auf eine unumstößliche Thatsache verweisen wir zum Sechlusse darauf, daß wir für alle unfte Verantwortlichkeit und ünsre geschäftlichen Mühen bei dieser gegen unser Erwarten so lange andauernden und an sich so unangenehmen Geschäftsentwicklung gar nichts bezogen haben, als die Hälfte der vertraglich festgesetzten Provision, bestehend in 20 Ostwestbahnaktien, die uns selbst diejenigen, welche uns nun befehden, nicht mißgönnen werden. ' / Obige. Anmerkung der Redaktion. Wenn sich auch Alles so verhält, wie Herr Boller es angibt, so bleibt als Resultat, daß Herr Boller und seine Rechtsnachfolger am 28. Febr. 1859 1000 Union Suisse-Aftien, die heute einen Werth von Fr. 100,000 haben mögen, in der Zwischenzeit aber keinen Centime Zins bezahlt haben, gGW 700 Ostwestbahnaktien und 300 Ostwestbahnobligationen, eingetauscht haben, die damals einen Werth von Fr. 500,000 und heute noch einen solchen von .... Fr. 250,000. — repräsentiren, und die in der Zwischenzeit jährlich Fr. 4650 ZinS bezahlt haben, folglich in zwei Jahren ......... „ 9,300. -rund daß die Herren H. Voller und Comp, für diesen doch wahrlich für die Ostwestbahn und nicht für die Herren Boller onerosen Handel von Commissionen, Provisionen und Interessen bis zum 30. April 1859 . 28,666.35 bezogen haben. — Fr. 287,966. 35 Viel auffallender aber ist noch der fernere Um? stand, daß die geldarme Ostwestbahn dafür, daß bis zum 30. April acht Rechtsnachfolger der Herrm H. Boller sich mit Obligo verpflichten unter VerPfändung obiger 1000 Stück Ostwestbahnaktien urch Obligationen derselben Fr. 445,000 schuldig gewor? den zu sein und diese Summe bis zum 1. Oktober 1861 zurückzuzahlen nebst 43/4 °/o Zins den Herreu Boller bis zum 21. Februar 1861 nicht nur diesolw» Fr. 445,000 in Baarzahlungen und Wechseln über? mittelt, sondern zudem noch weitere Fr. 14,000 a» Commissionen, Interessen und Provisionen bezaW haben. Wenn die Aussteller der Obligo am i. Oktober nächstkünftig Jeder sein Betreffniß wirklich in bmw einzahlt, nämlich:

Herr vi-. Schneider Fr. 45, WO nebst Zins. „ B. Simon „ 45,000 „ „ „ Neumann-Kellermann „ 90,000 „ „ „ Aregger- Siegwart „ 45)000 „ „ „ Prof. Hildebrand „ 112,500 „ „ „ vr. Hürlimann „ 40,000 „ „ „ Gaudy „ 22,500 „ „ „ H. Boller und Comp. „ 45,000 „ „ Summa Fr. 445,000 so mag sich die Ostweftbahn glücklich schätzen, wie aber, wenn dieß nicht geschieht? Und garantirt uns Herr H. Böller dafür, daß nicht der eine oder andere seiner Rechtsnachfolger lieber die seinem Obligo beigelegte Hypothek von 100 Ostwestbahnaktien im Stiche läßt, als baar einbezahlt? Ist Herr Boller überzeugt, daß nicht der eine oder andere seiner Rechtsnachfolger schon mit dieser Absicht unterschrieb? Von Herrn Dr. Schneider, der uns seither schriftlich bezeugt hat, er habe nur aus Patriotismus gehandelt, sind wir überzeugt, daß er sein Obligo am 1. Oktober mit Fr. 45,000 baares Geld einlösen werde, und dasselbe erwarten wir von Herrn Boller und Andern, ob aber Herr Pros. Hildebrand an jenem Tage seine Obligo's mit Fr. 112,500 einlösen werde, ist eine andere Frage!! Glaubt Herr Heinrich Boller nicht , um die Fr. 445,000, die sie ihm bezahlt hat, hätte die Ostwestbahn bei der Kreditbank von St. Gallen mehr Union Suisse-Aktien erhalten können, als er ihr dafür gab? und die Ihr jetzt mit Obligo verpfändeten Ostweftbahnaktien und Obligationen hätte sie dann in ihren Händen behalten können, ohne deßhalb ärmer zu sein, da sie nichts dafür erhalten hat, als die werthlosen Union Suisse-Papiere, aber keine einzige Barzahlung ! Wir werden den Herren H. Boller und Comp, gerne alles Recht angedeihen lassen, müssen aber wiederholen, daß sie bei diesem Geschäft den Löwenantheil hatten. Sie haben nämlich für 1000 Union Suisse-Aktien, die wir zu Fr. 100,000 anschlagen wollen, erhalten Ostwestbahnaktien und Obligationen im Werthe von Fr. 250,000, und überdieß an Kommission, Interessen und Provisionen über Fr. 50,000 bezogen.

Vorherige Ausgabe

Alle Ausgaben dieser Publikation durchblättern.

Nächste Ausgabe

Vorherige Suchergebnis

Zurück zur Ergebnisliste

Nächste Suchergebnis

Vergrössern / Verkleinern

Rechtsklick auf einen Artikel um weitere Optionen anzuzeigen

Qualitätskontrollmodus aktivieren

Ausschneiden starten

Vergrössern

Verkleinern