Eidgenössische Zeitung, Nummer 63, 5. März 1861 IIIF issue linkDer Vertrag zwischen der schweizerischen Ostwestbahngesellschaft und den Herrn Heinrich Boller u. Komp. in Uster. (Eingesandt.) [ARTICLE]

Der Vertrag zwischen der schweizerischen Ostwestbahngesellschaft und den Herrn Heinrich Boller u. Komp. in Uster.

(Eingesandt.)

Der in Nr. 58 der Eidgenössischen Zeitung" abgedruckte, dem Bericht der bernischen Finanzdirektion entnommene obbezeichnete Vertrag ist ein so merkwürdiges Aktenstück, sowohl in Betreff der verständlichen, als der schwer oder gar nicht verständlichen Theile desselben, daß es sich wohl der Mühe lohnt, etwas genauer darauf einzugehen. Was nun vorerst die Form anbelangt, so ist zu bemerken, daß der Vertrag selbst, Namens der Direktion der Ostwesthahngesellschaft, wie es sich, gehört, vom Präsidenten und vom Sekretär, der äußerst wichtige Nachtrag aber lediglich von. dem ersteren unterzeichnet ist. Schon aus diesem Umstand kann man sich einen Begriff von der in der Verwaltung Herrschenden Unordnung bilden. Zu dem Inhalt übergehend, finden wir vorerst im §. 1 einen Tauschhandel. Boller und Komp. verpflichten sich nämlich 1000— 2000 Ostwestbahnaktien zum Nennwerth, d. h. zu Fr. 500, zu übernehmen, und dafür, nach ihrer Auswahl, eine gleiche Anzahl Aktien der schweizerischen Nordostbahn oder der schweizerischen Centralbahn oder endlich der Vereinigten Schweizerbahnen, ebenfalls zum Nennwert!) von Fr. 500, abzusiefern. Ms welche Art von Aktien die Wahl der Herren Boller gefallen sein mag, bedarf wohl kaum der Erwähnung, wenn man bedenkt, daß die Nordost- und Centrälbahnaktien einen bedeutenden, die Aktien auf die Vereinigten Schweizerbahnen dagegen so viel als keinen Werth hatten. Freilich verhielt es sich ganz gleich mit den die Gegenleistung bildenden Ostwestbahnaktien. B oller und Komp. tauschten also eine Anzahl Papierwische gegen eben so viele Papierwische ein. Der Zweck, den die Ostwestbahndireklion damit erreichen wollte und Dank der/ um glimpflich zureden, beispiellosen Sorgund Gewissenlosigkeit des bernischen EisenbahndirektorS auch erreicht hat, bestund darin, mittelst dieser Papierwische einen Beitrag zu dem ihr obliegenden Finanzausweis zu liefern. Natürlich verstunden sich Boller und Comp, nicht aus lauter Gefälligkeit zu dieser höchst sonderbaren und im gewöhnlichen Leben mit einem viel energischeren Ausdruck bezeichneten Verhandlung. Laut §. 3 behielten sie sich auf dem Gesammtbetrag der gemäß dem abgeschlossenen Taüschv ertrag umgesetzten Aktidn eine — zwar nur in Ostwestbahnaktien zu leistende — Kommission von 4% vor. Die 4-% Kommission auf Fr, 500,000 beträgt

aber Fr. 20,000 und überdieß dürfen noch Zinse berechnet werden. Diesen Gewinn mögen die Herren Boller und Comp, für ihren dem Freund Hildebrand geleisteten Dienst noch nicht als hinreichend betrachtet haben und daher findet sich im §. 2 des Vertrags noch eine weitere Bestimmung vor, deren Grund aber nicht leicht aufzufinden ist. Wir müssen hier, der Schwierigkeit wegen einen Faden zu finden, den Wortlaut nochmals anführen: „Hierbei übernimmt die Direktion der fchweizeri„schen' Ostweftbahn die Verpflichtung, den Rechts, „Nachfolgern der Herren Heinrich Boller und Comp, „(sofern sie es verlangen) gegen Ausstellung von „Schuldscheinen nud Hypothezirung der von ihnen „übernommenen Ostwestbahnaktien ein höchstens zu w43A % verzinsliches Baaranleihen , dessen Rück„Zahlung nach vorhergegangener zweimonatlicher Kün„digung den Uebernehmern jederzeit freisteht, von der „Direktion aber frühestens auf 1. Oktober 1861 ge„fordert werden darf, bis zum Betrage von Fr. 450 „per Aktie, entweder selbst zu machen oder .für ein „solches besorgt zu sein." Nehmen wir wieder an, der Eintausch von OstWestbahnaktien gegen Aktien der vereinigten Schweizerbahnen habe sich auf das Minimum von 1000 Stück erstreckt, so mußte also die Ostwestbahndirektion ihrem Mitkontrahenten oder deren Rechtsnachfolgern (wer sind diese Rechtsnachfolger??) ein B aaranleihen von Fr. 450,000, nach dem angegebenen Verhältnisse von je Fr. 450 für die Aktie, verschaffen und zwar ein höchstens zu 4 8/4 % verzinsliches , für sie vor dem 1. Oktober 1861 nicht aufkündbares, gegen Ausstellung von Schuldscheinen und fau st Pfandliche Verschreibung der soeben gegen die Aktien der vereinigten Schweizerbahnen eingetauschten Oftwestbahnaktien. Wir bekennen hier unverholen, daß uns dabei der Verstand stille steht. Wie, die in größerer Armuth als eine Kirchenmaus steckende, und mit dem Bettelsack von Kanton zu Kanton, von Gemeinde zu Gemeinde wandernde Ostwestbahngesellschaft, übernahm die Verpflichtung-, Fr. 450,000 darzuleihen, gegen Verpfändung einer Anzahl ihrer eigenen Aktien und zum Zinsfuße von 4% %> während sie, wie die bernische Finanzdirektion nachgewiesen hat, um eine bedeutendere Finanzoperation abschließen zu können, sich eine Einbuße von 33 % gefallen lassen mußte. 8. 1 des Vertrags begreift sich vom Standpunkt der * Ostwestbahndirektion vortrefflich ; sie brachte kein wirkliches Opfer mit dem Aktienumtausch, und erlangt dadurch ein Mittel, um ihren Plan, die bernischen Behörden zu täuschen und zu hintergehen, besser in's Werk zu setzen. Allein diesem Vortheil gegenüber die Verpflichtung einzugehen, ein Baaranleihen von Fr. 450,000 machen zu müssen, und noch dazu ein vor dem 1. Oktober 1861 nicht aufkündbares, in einer Lage, wo jeder Kreuzer so selten war, wie im Sommer ein Tröpfchen Wasser in der Wüste, das gibt uns wirklich einen Begriff von der Rechtlichkeit und Fähigkeit der Ostwestbahndirektion , der auch die schlimmsten Befürchtungen weit zurückläßt. (Schluß folgt.)

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