Eidgenössische Zeitung, Nummer 295, 25. Oktober 1859 IIIF issue linkNeueres [ARTICLE]

Neueres

Zurrch. Die Mehrheit der Petitionskommisfion ist nun für Begnadigung des zum Tode verurtheilten Kündig. Der bei der ersten Berathung abwesende Herr Statthalter Gujer hat sich gegen die Todesstrafe ausgesprochen. Die von der Kommission noch angeordneten Untersuchungen haben einige weitere Thatsachen konstatirt, die zur Milde stimmen müssen. Kündig selbst ist nunmehr ganz weich und ergeben. Mehrere Briefe, die er an Verwandte und seine Braut geschrieben, lassen auf ein ganz neues Gemüthsleben schließen. Der Abschied von seiner Schwester war für Alle, die ihm beiwohnten, herzzerreißend. Nach allem diesem ist Hoffnung vorhanden, daß dem armen Tropf das Leben geschenkt werde. Sollte aber dessenungeachtet die Hinrichtung stattfinden müssen, so hoffen wir, daß unser Volk seine Gesittung dadurch deUrkunde, daß es von dem schrecklichen Schauspiel ferne bleibe und im stillen Kämmerlein der für uns Alle bangen Stunde gedenke. Gewiß ist wenigstens von Frauen und Töchrern zu erwarten, daß sie nicht durch ihre Theilnahme an einem so schrecklichen Akte ihr Geschlecht entehren. In der Nachmittagsfitzung wurde der vom Schwurgericht zu zwei Jahren Zuchlhaus mruitherlte fast unzurechnungsfähige Jakob Frei von Hinterteufcn zu 6 Monaten Gcfängmß begnadigt. Das Gesuch deS StifteS Rheinau wurde zu beförderlicher Stellung von sachgemäßen Anträgen dem Regierungsrathe überwiesen. Herr Dr. A. Escher sprach eS als die einstimmige Ansicht der Kommission auS, daß daS Stift — aufgehoben werde. Herr Pfarrer Ziegler begründete seine Motion auf Aufhebung der Ausnahmsgesetze gegen die Juden in einem glänzenden Vortrage, der allgemeine Aufmerksamkeit erregte. Er zeigte, daß diese Gesetze gegen den Geist unserer Verfassung und des Christenthums verstoßen. Man werde nicht ein ganzes Volk für die Fehler Einzelner büßen lassen wollen. Da bedarf es bedeutender Konvenienzgründe, die aber sehr abgeschwächt find. Gefahr für Überschwemmung ist keine mehr; denn allenthalben, selbst in der Türkei, haben die Juden freien Zutritt und Ausficht auf alle Stellen ; Bern, Freiburg und andere Kantone, die sie zugelassen, sind nicht überschwemmt worden. Ebenso ist der SchacherÖ^st Nation im Verschwinden; je besser ihre Stellung, desto mehr. Der Wucherverkehr in einzelnen Kantonstheilen hat sehr abgenommen. Der Haß des Volkes gegen die Juden ist mit der steigenden Gesittung geschwunden und der Große Rath wird nicht unedle Leidenschaft zum Maßstab nehmen. Also weg mit dieser Abnormität, die dem Kanton nicht zur Ehre und zum Nutzen gereicht. Nordamerika dringt auf Emanzrpation und Zürich mit seinem großen Verkehr mit Amerika wird mit dieser Macht nicht in Mißhelligkeiten gerathen wollen.

Herr Pfenning er dankt dem Motionssteller für dieses Votum wahrer Toleranz. Herr Bader trägt auf Nichterheblichkeit an. Herr Dr. Sulz er bedauert diesen Antrag und ftmt sich der Toleranz der Motion, die er in einem frühern Votum (Dr. Qffcher) vermißt habe. Er betrachtet die Emanzipation der Juden als eine späte und mangelhafte Sühne der in frühern Jahrhunderten von unser« Vätern an den Juden verübten Gräuel. Herr Bader: Die Motion ist unerwartet, neun Zehntheite deS Volkes würden fie verwerfen. Eine Frcigebung des Viehhandeks hat solchen Erfahrungen gerufen, daß das Verbot entstand. Leute, die daS Unheil mit Augen sehen, sollen auch gehört werden. Er warnt vor Ausdehnung der Freiheit. ' Herr Sulzberger: Nur der Antrag, der Prüfung der Frage erlaubt, ist berechtigt. Die muthige Anregung ist zeitgemäß. Die Lösung dieser Frage ist eine Ausgabe deS europäischen Völkerrechtes. Aber lokale Verhältnisse fordern zur allseitigen Prüfung aus. Aber schneide man diese nicht ad. Direktor Zangger hat viel mit Pferdehändlern rc. verkehrt und hat bei den Juden keine größere Gefahr gesehen als bei den Christen. Nicht Idealität stimmt mich für die Motion, sondern die Erfahrung, daß alle Ausnahmsgcsttze nichts nutzen, gesetzt noch, fie wären berechtigt. Herrn Dr. Duds ist die Motion willkommen, denn sie ruft einer Untersuchung aus unserer Mitte, ehe ein Drang von Außen kommt. Die Motion wurde fast einstimmig erheblich erklärt und dem Regierungsrathe zur Begutachtung überwiesen. Es folgte die zwette Berathung des Fabrikgesetzes. Für die zwölfstündige Arbeitszeit der Kinder kämpften abermals mit warmer Energie die Herren Pfarrer Ziegler, Direktor Fries, Pfenninger, Zangger. Großen Eindruck machte das Votum des Herrn Oberstlt. Ad. BürkU, der, obwohl auch Fabrikbesitzer, sich an die Väter wendend, erklärte, daß nach seiner Erfahrung 12 Stunden Arbeitszeit das Aeußcrste sei. Hinwieder fochten eben so eifrig und scharf die Herren Gujer, Ryffel von Medikon, Schmid, Zunftrichter Hauser und alt Regierungsrath Billiter für 13 Stunden, als für den Bestand der Industrie nothwendig. Wie sehr die humane Ansicht Fortschritte gemacht, beweist die Abstimmung: 90 gegen 82 Stimmen sprachen sich für 13 Stunden aus. Die Aufnahme eines Gebotes, daß der Fabrikbesitzer den Lohn alle 14 Tage und in baar auszahle, wurde bis an 3 Stimmen verworfen. Ebenso blieb der Antrag, daß für Unterstützung von Vorsorgekaffe« ein Kredit von 3000 Fr. ausgesetzt werde, nicht minder der, daß auf Übertretung des Gesetzes noch andere Strafen als Buße gesetzt werden, rn Minderheit. Das ganze Gesetz wurde angenommen, von Herrn Treichler mit der Erklärung, daß er hoffe, dasselbe sei ein Anfang zu Mehr — Die Allg. Ztg. bringt folgende wichtige Depesche auS Wien, 22. Okt. Oesterreich. Ztg.: Herr v. Hübner abgedankt, entlassen. Frhr. v. Thierry, Hofrath im auswärtigen Departement, zum Polizeiminister ernannt. Derselbe hat die Redakteure der Zeitungen zu sich beschieden, freundlich versichernd: das Augustprogramm sei unverändert. Generaladjutant Graf Grünne entlassen. — Der „Economist" will keine absolute Neutralität Englands, sondern Protest gegen etwaige gewaltsame Jntervenirungen in MittelItalien.

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