Eidgenössische Zeitung, Nummer 171, 22. Juni 1857 IIIF issue linkSchweizerische Eidgenossenschaft. [ARTICLE]

Schweizerische Eidgenossenschaft.

In emer Nachschrift aus Tt.Ioao den b. Aprtl berichtet Herr ^ Dr. Heußer noch weiter: „Ich habe seitdem zwei kleine Kolonieen gesehen, beide von armen i Teufeln angefangen , die bisher Veitoren (Sklaven ausseher) oder Ad- i ministradoren (Verwalter von Fazenden) waren, und am besten be- j weisen , wie einträglich das Geschäft ist, Kolonisten zu halten. Der! «ine, der 5 Bernev und 2 Freiburger-Familien hat, wuchert in hohem ! Grade mit Lebensmitteln und in der Loge, hat Strafen darauf gesetzt, ! wenn die Leute ohne Erlaubniß die Kolonie verlassen, und ist über- j Haupt ein roher Mensch, der die Kolonisten ziemlich den Sklaven gleich z hält. Der beste Beweis, daß dieser Mann die Leute recht tief in Schul- ! den hineinbringen und von sich abhängig machen will, ist der, daß er | für alle 7 Familien nicht mehr Kaffee hat, als 2 Familien bearbeiten können, während doch diese Kaffee-Gewinnung der einzige Verdienst der Leute ist. — Die Berner sind erst voriges Jahr gekommen, und sind gleich von Anfang an dadurch vollständig entmuthigt worden, daß 4 Familien mit 28 Personen 7 Monate lang in einer Wohnung zubringen mußten, die ich höchstens mit einem europäischen Hühnerstall vergleichen kann, und die nicht mehr als 20 Schweizerfuß Länge und 13 Fuß Breite hat; und dieß in der tropischen Regenzeit! — Kurz, ich glaube, diese Leute sind schlimmer daran als irgend welche andere, und diese Berner haben uns unter Thränen gebeten, sie aus dieser Sklaverei zu befreien. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu versichern, daß wir unser Möglichstes thun werden, aber wenn man keine Finger hat, kann man keine Faust machen! — Die Hauptsache habe ich noch vergessen, nämlich die, daß dieser Kaffeeberg-Besitzer allgemein als ein Schurke bekannt ist, von dem also täglich die größten Willkürlichkeiten und Gewaltthäligkeiten zu erwarten sind. Ein wohlthuendes Gegenstück zu dem vorigen Bauer bildet ein zweiter mit zwei Schaffhauser Familien , der sein wahres Interesse am besten kennt und seine Leute als Menschen behandelt. Er hat in der That einen kleinen, aber so niedlichen und säubern Kaffeeberg, wie ich noch keinen gesehen, und sieht ein, daß es sein eigener Vortheil ist, die Kolonisten gut zu behandeln, und keinen andern Gewinn zu erzielen, als nach dem Kontrakt die Hälfte des Kaffee-Ertrages. Beide Familien waren leider früher bei dem obengenannten Advokaten, und erst seit vorigem Jahr bei dem jetzigen Herrn; den Advokaten haben sie mit je 1000 und 600 Milreis (3000 und 1800 Fr.) Schulden verlassen, werden aber, wenn der jetzige Herr sich gleich bleibt, in 4 oder 5 Jahren aus den Schulden herauskommen. Hätten sie seit ihrer Ankunft einen solchen Herrn gehabt, so hätten sie ohne Zweifel bereits ein kleines Vermögen.— Der Gedanke des Halbpachtsystems war schön, die Ausführung aber in den meisten Fällen schändlich! Bon Lorenzo aus machte ich nun noch einen Abstecher nach der

3 Legoas entfernten Stadt Prizicaba, wo viele schweizerische Straßenarbeiker , und die einzige auf Grundeigenthum niedergelassene Schweizerfamilie (Walder von Stadel, Zürich) sich befindet. Letztere ist erst seit letztem Herbst dort, ich kann daher noch nicht von ihrem Erfolge sprechen. Und was die Straßenarbeiter betrifft, so ist ihre ganze Lage, obgleich sie von der Provinzial-Regierung angestellt sind, doch eine traurige, und ich kann nicht umhin, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß gerade gegenwärtig eine große Anzahl Straßen- und Eisenbahnardeiter durch die Hamburger Agentur für ein Privatunternehmen am Muccuri gesucht wird. Ich hörte den Agenten der Hamburger Gesellschaft selbst aussprechen, er habe ein gutes Geschäft gemacht, es sei bei ihm „eine Ladung" Straßenarbeiter bestellt worden. — Der Chef der Muccuri-Gesellschaft soll zwar ein Ehrenmann sein, nach dem Urtheil des Konsuls David, aber trotzdem kann ich, nach dem, was ich bis jetzt gesehen, nur von der Auswanderung nach Brasilien abrathen, so lange nicht ganz andere Garantieen geboten werden " Durch Kreisschreiben zeigt der Bundesrath den betreffenden Ständen an, daß nach einer Mittheilung des Generalkonsuls in Rio Janeiro in letzter Zeit daselbst mehrere Schweizer theils am gelben Fieber, theils an der Cholera verstorben seien. Von sämmtlichen bemerkt das Konsulat, daß sie mittellos wären und im Spital gestorben seien, wo sie auf Rechnung der schweizerischen Hülfsgesellschast verpflegt wurden, so daß von keiner zu erwartenden Erbschaft die Rede sein könne. Das Komite der Industrieausstellung wiederholt nochmals in einem Kreisschreiben an die zögernden Verleger, daß die Literaturausstellung weder einen typographischen noch kommerziellen, sondern einen rein kulturhistorischen Zweck hat, der nur durch eine möglichste Vollständigkeit der im Drucke erschienenen geistigen Leistungen aller Art erreicht werden könne, daher sei ihm mit bloßen Katalogsübersichten eben so wenig als mit bloßen künstlerisch ausgestatteten Prachtwerken geholfen. ** Bern, 20. Juni. (Korr ) Die Staatsrechnung vom Jahre 1856 zeigt einen Vorschuß von 484,007 Fr. 51 Rp. An den budgetirten Ausgaben wurden gespart 159,555 Fr.. 85 Rp., worunter auf erfreuliche Weise eine große Summe auf den Gefangenschaften. Mehreinnahmen waren 335,500 Ft. 66 Rp. — Der Gemeindrath von Bern petitionirt an den*Großen Rath, er möchte in die zweite Berathung des ihm vorgelegten Projektsarmengesetzcs und ebenso in das ihm zur eisten Berathung. vorgelegte Projektgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Kantonsbürger nicht eintreten. — Die zahlreich versammelten Aktionärs der Spar- und Leihkasse in Bern haben sich den 19. d. auf Grundlage der vorliegenden Statuten konstituirt Es sind schon 300 Aktien gezeichnet, so daß die Anstatt, wenn schon auf bescheidenerm Fuß als man hoffte, bald wird ins Leben treten können. Solothurn. Die neue Zolothurnische Bank hat zum Präsidenten Herrn Finanzdirektor Schenker und zum Vizepräsidenten Herrn Franz Brunner erwählt : zu einem dritten Mitgliede der Bankdirektion wurde Herr Joh. Kaiser-Hänggi, Negotiant, ernannt. Der fixe Gehalt soll außer der Betheiligung am Gewinne jährlich für dcn Bankdirektor 4000 Fr , für den Kassier 3000 Fr. betragen. — Der Regier ungsraih hat für das dießjährige eidgenössische Freischießen eine Ehrengabe von 400 Fr bewilligt. St.GaUen. Die Zahl der Wirthschasten im Kanton hat sich seit 1839 um 108 vermindert. Dagegen vermehrten sich die Prozesse.

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