Eidgenössische Zeitung, Nummer 157, 8. Juni 1853 IIIF issue linkSchweizerische Eidgenossenschaft. [ARTICLE]

Schweizerische Eidgenossenschaft.

Der Beschluß des Bundesrathes, der das freiburgische Kriegsgeriecht kassirt, stützt sich auf folgende Erwägungen : „1. Daß die Verfassung des Kantons Freiburg folgende Grundsähe aufstellt: Art. 6. Niemand darf feinem ordentlichen Richter entzogen werden. — Art. 58. Die Rechtspflege in bürgerlichen, in Strafrechts - und in streitigen Verwaltungssachcn wird ausschließlich durch die verfassungsmäßlgen Gerichte ausgeübt.-- Art. 71. Die Einrichtung von Geschwornengerichtcn ist gewährleistet: a. für peinliche Sachen, b. für politische Vergehen, c. für Preßvergehen — Art. 72. Die von Militärpersonen im aktiven Dienste des Kantons begangenen Vergehen und Verbrechen werden von einem in Gemäßheit des eidgenössischen Militärstrafgesetzbuches eingerichteten Kriegsgerichte beurtheilt. „2. Daß der Art. 53 der Bundesverfassung ebenfalls den Grundsaß enthält, Niemand dürfe seinem verfassungsmäßigen Gerichtsstand entzogen und keine Ausnahmsgerichte eingeführt werden. „3. Daß nun, da der Aufstand vom 22. April offenbar ein politisches Verbrechen ist und die Theilnehmer daran nicht als Militärs im aktiven Kantonaldienste gehandelt haben, die Letztern oor die verfassungsmäßigen Gerichte hätten gestellt werden sollen. „4. Daß eine Berufung auf Art. 1, Lit. ll. des eidgenössischen Mlitärstrafgesetzes , wonach Kriegsgefangene unter dieses Gesetz fallen, nicht Stich hält, indem dasselbe einen förmlichen Krieg mit regelmäßigen Truppen voraussetzt, was dadurch bestätigt wird, daß NichtMilitärs, welche sich gegen die Armee vergehen, nur in Feindesland unter dieses Gesetz gestellt werden. (Art. 1, Lit. g). „5 Daß die Aufstellung des Kriegsgerichtes im Augenblick der Gefahr und um größeres Unglück abzuwenden, allerdings zu entschuldigen ist, woraus jedoch nicht folgt, daß seine Erlasse rechtskräftig werden. „6. Daß nach Art. 5 der Bundesverfassung die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger gleich denjenigen der Behörden geschützt werden müssen und der Bundesrath nach Art. 90 Ziffer 2 berechtigt und verpflichtet ist, für die Beobachtung der Verfassung zu wachen und zu deren Handhabung von sich aus oder auf eingegangene Beschwerde die erforderlichen Verfügungen zu treffen." In dem Begleitschreiben des Bundesrathes bemüht sich derselbe, drese Erwägungen zu rechtfertigen und die Gegengründe der NeMung von Freiburg zu widerlegen. Dieselbe berief sich, wie es scheint, zur Rechtfertigung des Standrechts auf das Recht, für die Sicherheit des Staates über die Truppen zu verfügen , auf das eidgenössische Militärstrafgesetzbuch, auf provisorische Vollmachten des Großen Ruthes, auf die Konsequenz, Perrier und die Andern gleich zu beurtheilen, und endlich auf die Erklärung des Vcrtheidigers derselben, daß sie an den Großen Rath appelliren. Alles das war natürlich leicht zu widerlegen. Von Bedeutung ist eine allgemeinere Stelle in der Antwort des Bundesrathes , die im Ganzen äußerst kühl gehalten ist :

„Wir bedauern, daß wir mit Ihren Ansichten über die Rechtfertigung des Kriegsgerichtes nicht einig gehen können, und wenn wir uns veranlaßt sahen, durch beiliegenden Beschluß dagegen einzuschreiten, so dürfen Sie überzeugt sein, daß uns keine andern Motive geleitet haben, als das tiefe Bewußtsein unserer Pflicht, den Grundsätzen der Bundesverfassung nach allen Richtungen unbedingte Anerkennung und Anwendung zu verschaffen. Wenn wir auch die verbrecherischen Angriffe , denen die Verfassung und die Behörden Ihres Kantons seit Jahren ausgesetzt sind , aufs lebHasteste bedauern und Ihnen die bundesgemäße Hülfe, wo sie nöthig, zusichern, so erachten wir auf der andern Seite, daß die Behörden ungeachtet dieser schwierigen Verhältnisse auf der derfassungsmäßigen Bahn beharren müssen, zumal das Verlassen derselben ihren Gegnern Waffen in die Hände gibt und sie zu neuer Selbsthülfe aufreizt. Wir glauben daher, unsere Maßregel liege im wahren Interesse Ihres Kantons. Sie liegt aber auch in demjenigen der Schweiz, welche, besonders unter den jetzigen Verhältnissen, nicht zugeben kann, daß ihre Behörden auch nur den Schein auf sich laden, als hätten sie nicht den Willen und die Kraft, verfassungsmäßige Zustände aufrecht zu halten." Die Baslcr-Z. argwöhnt hinter der Adresse der eidgenössischen Ossiziersgesellschast an den Bundesrath etwas, was nicht darin ist. Wenn mehrere hundert Offiziere aus allen Kantonen in einein Momente, der zu Ernstem führen kann, zusammentreten und diesen Anlaß ergreifen, um sich selbst und den Behörden zu sagen, daß sie freudig bereit seien , dem ersten Rufe zu folgen , so ist das gewiß so natürlich, daß uns gerade umgekehrt ein Jgnoriren der jetzigen Lage für sehr affektirt und bedauernswerth vorgekommen wäre. Man liest in der „Kölnischen Zeitung" : „Das in der Presse zu wiederholten Malen auftauchende Gerücht, die Schweiz habe auch eine militärische Grenzsperre seitens des deutschen Bundes zu erwarten, und Oesterreich beabsichtige, einen dahin gehenden Antrag in Frankfurt zu stellen, scheint, was den letzteren Punkt betrifft, nicht ohne Grund zu sein. Freilich ist der Antrag noch nicht gestellt, und die Absicht dazu kann noch eine andere Wendung nehmen; aber die Sache wird von den Vertretern der öfterreichischen Politik in der Presse für so nothwendig gehalten, daß es gleichfalls nothwendig ist, im Interesse unserer preußischen und deutschen friedlichen Beziehungen zu Frankreich, und mit Rückficht auf die Handelsbeziehungen zur Schweiz, eine solche Hineinziehung des deutschen Bundes in eine ihm völlig fremde Augelegenheit als verderblich zu bezeichnen. Die Aufgabe des Bundes ist eine durchaus friedliche, er gehört nicht zu den europäischen Mächten, von denen am 20. November 1815 der Schweizer Eidgenossenschaft die Neutralität und Integrität zugesichert wurde; die Schweiz hat die Existenz des Bundes nicht gefährdet und birgt wahrlich nicht mehr revolutionäre Elemente in ihrem Innern, als

das vormarzuche und unter so systematische Polizeiaufsicht gestellte Oesterreich ; wodurch soll nun das Einschreiten des deutschen Bundes gerechtfertigt werden? Etwa weil Oesterreich eS für gut befunden hat, Repressivmaßregeln zu ergreifen? Ein Antrag auf eine Intervention des Bundes würde auch wahrscheinlich ebenso von diesem abgelehnt werden wie die beabsichtigte Intervention im Dezember 184?. Der damals den Vorschlag begutachtende Bundesausschuß fand, daß die politischen und die sozialen Zustände in der Schweiz eine dringende Besorgniß nachtbeiliger EinWirkung auf Deutschland für den Augenblick nicht begründeten, daher denn auch keine Veranlassung gegeben sei, auf deutschem Gebiete vorbeugende Maßregeln zur Abwendung drohender Gefahren zu ergreifen. Für Preußen könnte einzig die Neuenburger Angelegenheit eine Ursache darbieten, in Gemeinschaft mit Oesterreich gegen die Schweiz vorzugehen; aber dieselben Gründe, welche die Krone damals bestimmten, auf die militärische Besetzung des Kantons zu verzichten, obwohl die siegreichen Truppen an der Schweizergrenze standen und Frankreich, von Parteien zerrissen, ohnmächtig war, werden auch jetzt ihr Gewicht geltend machen." Von Berlin kommen beruhigendere Nachrichten. Man schreibt in jenem fürchterlichen Kanzleistyl: „Preußen zögert die Neuenburger Frage in die Hand zu nehmen, obwohl in dieser Angelegenheit sich verschiedene Ansichten im Kabinet geltend gemacht haben. Die Herverufung des Generals der Kavallerie, Grafen von der Gröben (Kommandirenden des siebenten Armeekorps) , aus Münster, wird mit den Berathungen in Verbindung gebracht, welche über die neuesten schweizerischen Eventualitäten, so weit auch das Verhältniß Preußens zu Neuenburg sich dabei zum Austrag anknüpfen könnte, hier stattgefunden haben. Die in Aussicht genommenen militärischen Maßregeln, zu deren Leitung der Graf von der Gröben bestimmt scheint, dürften aber ihren Zeitpunkt nicht gerade in dem Stand der Flüchtlingsfrage und der österreichischschweizerischen Differenz ersehen haben, obwohl Preußen hierin seine Uebereinstimmung mit dem österreichischen Kabinet auch in jeder thatsächlichen Konsequenz zu erkennen geben wird. Das Fortschreiten der innern revolutionären Krisis in Neuenburg, welche sich durch die Thätigkeit des dortigen Comite de resistance suisse und seine jetzt nach Freiburg ausgeschriebene Versammlung angekündigt hat, ist bei weitem mehr dazu angethan, den Moment zu reifen , von dem die preußische Regierung seit Anbeginn dieser Verwickelung ihr faktisches Eingreisen in diese Sachlage abhängig gemacht hat. Preußen würde diese Angelegenheit jedenfalls auf eine Weise zur Lösung zu bringen suchen, welche sich mit den Konflikten der europäischen Weltlage, um die es sich in diesem Augenblick handelt, möglichst wenig berührt. Es ist deßhalb hier mit großer Befriedigung aufgenommen worden, daß die österreichische Regierung durch ihre neuesten Eröffnungen, welche sie dem eidgenössischen Geschäftsträger in Wien gemacht, die Möglichkeit hergestellt hat, im Geleise der diplomatischen Verhandlungen die Lage der schweizerischen Verwickelung wieder aufzunehmen, und auf einen, wie kaum mehr zu bezweifeln ist, gedeihlichen Zielpunkt hinzuführen." Letzten Samstag hat ein Wolkcnbruch das Luzerner Hinterland und das Berner Emmenthal betroffen und Brücken und Straßen zerstört, so daß die Berner Post über Willisau zwei Tage ausblieb. In Gettnau wurden zwei Brücken zerstört. Auch aus St.Gallen hört man dasselbe. Letzten Samstag Nachmittags entleerte sich über Wittenbach und Umgegend ein Wolkenbruch, der die kleinsten Bächlein, ja die Straßengräben zu förmlichen Strömen anschwellte. In der Nähe von Kronbühl lief ein großer Bach quer über die Straße und zwar so reißend, daß ein Mann (Thurgauer), der ihn passiren wollte, fortgerissen wurde und ertrank.

Bern. Der litterarische Verein in Bern glaubt es in seiner Pflicht, zu der Feier des Eintritts Berns in den Eidgenossenbund vor 500 Jahren auch eine „Festgabe schweizerischer Dichter" lVL bringen. Cr ladet demnach „unsere Dichter und Dichterinnen aller Kantone und aller schweizerischen Sprachen freundlich ein, ihm unverweilt, da die Zeit drängt . kleinere Dichtungen und Sagen letztere auch in Prosa, Alles im Schriftdeutsch oder Dialekt, einzusenden, seien sie bezüglich auf das Fest oder sonst auf' Bern und dessen Geschichte, Sage, Siite und Natur." Freiburg. Herr Dr. Castellan in Bulle, welcher bekanntlich vor einigen Tagen in Folge seiner mit dem daselbst durchreistnden Herrn Bundesrath Furrer gehabten Unterredung und nch herigen Wortwechsels mit dem dortigen Präfekten inhaftirt wurde, ist wieder in Freiheit gesetzt worden. St.Gallen. Unsere Leser erinnern sich vielleicht noch, daß das erste eidgenössische Schwurgericht in St.Gallen einen Postangestellten mit Prügelstrafe belegen mußte, weil er das Glück oder Unglück hatte, kein St.Galler zu sein. In Folge dessen hat der Bundesrath die Regierung von St.Gallen eingeladen, dm Art. 14 Lit. h. des Gesetzes über die Kriminalstrafen, der Nichtkantonsbürger, falls sie weniger als zwei Jahre Zuchthaus derwirkt haben, mit einer ausnahmsweisen Strafe, d. h. mit Prügeln und Kantonsverweisung belegt, in Einklang zu bringen mit Art. 48 der Bundesverfassung. Dieser Artikel verlangt bekanntlich, dah in derartigen Verhältnissen alle Schweizerbürger den Kantonsangehörigen gleich gehalten werden sollen. Der Kleine Rath ist nun dem Auftrage nachgekommen und schlägt dem Großen Rathe vor, die Aufhebung des erwähnten Artikels zu dekretiren. Das geschieht nun aber nicht in der Weise, daß die körperliche Züchtigung für Nichtkantonsbürger wegfiele und nur etwa für Vagabunden, herumstreichendes Gesindel — überhaupt für Personen, die keim festen Wohnsitz im Kanton haben, beibehalten würde. Nein - es soll vielmehr die St.Gallische Strafgesetzgebung dadurch außer Kollision mit der Bundesverfassung gebracht werden, daß künftig für die Verbrechen gegen das Leben, für Verbrechen durch MißHandlung, gegen die Freiheit eines Menschen, gegen die Sittlichkeit und endlich der Beschädigung des Staats- oder Privateigw thums außer den Nichtkantonsbürgern — auch die Kantonsbürger Prügel erhalten, falls sie eine ordentliche Strafe von weniger als zwei Jahren verwirkt haben. Genf. Der neue Munizipalrath hat den Herrn Marchinville wieder zum Präsidenten gewählt und den festen Entschluß ausgesprochen, die Interessen der Stadt ferner gegen den Staatsrath zu vertheidigen.

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