Der Volksfreund, 1 August 1885 IIIF issue linkZur Atohslsteuer» Der Professor, welcher... [ARTICLE]

Zur Atohslsteuer » Der Professor , welcher in Zürich jüngst die Alkoholvorlage als ein „ Werk der Weisheit pries und sagte , es lasse sich gegen sie gar nichts einwenden , ist ein Oesterreicher . Nun erklärt sich die Sache : der Herr hat das Bedürfniß empfunden , sich bei uns möglichst vortheilhaft einzuführen , und da meinte er , cine Schmeichelei gegen unsere BeHorden sei wohl das Wirksamste . Möglich , daß er damit die Väter des Gesetzes im Glauben bestärkt , sie hätten wirklich etwas „ Weiies gethan ; im Volke aber lacht man über diesen Professorenausspruch und mißt auch , nachdem man jetzt weiß , was das Kompliment bedeutet , der übrigen Aussührung des Hrn . Wolf entsprechend geringe Bedeutung bei . Daß der ehrenwerthe Hr . Professor aus Brunn überhaupt besser gethan hätte , in dieser schweiz , Tagesfiage ooiläufig sich selbst belehren zu lassen , statt Andere belehren zu wollen , d . h . erst dic Frage und unsere tatsächlichen Verhältnisse zu studiren und sich fin feine Antrittsvorlesung ein anderes Thema zu wählen , demonftrirt ihm auch die „ Z . P . In längerer Ausführung weist Hr , Curti nach , wie schief die neue „ Autorität urtheile und wie die Thatsachen eine ganz andorc Sprache reden , als der Herr Dr . Julius Wolf , Wir z itiren Einiges .

Wenn Herr Wolf beispielsweise sagte , die schweizerischen Obmgeld-Kantone seien auch die Kantone der Schnapspest , so ift er da sehr einem Vorurtheil zum Opfer gefallen . Graubünden hat eine bedeutende Ohmgeldeinnahme ( fast 3 Fr . auf den Kopf ) , aber seinen Branntwein- und Cognacverbrauch , bei dem die Bauern der Hochthäter und die Fuhrleute der Alpenstraßen ihre Gesundheit keineswegs schädigen , wird Niemand als Schnapspest bezeichnen künnen . Tessin hat ebenfalls bedeutende Getränkeabgaben und -Zölle und es kennt kaum den Alkoholismus überhaupt , geschweige denn die Schnapipest . Wir hallen es überhaupt fnr eine oberflächliche Betrachtungs weise , wenn man dic Schnapspest nur einzig dem Ohmgeld zuschreiben will . Gegen diese Annahme spricht auch , daß Vern und Luzern mit ihrem großen Schnapskonsum Kantone mit oerhältnißmäßig wenig parzellirte »

Gütern und ohne bedeutende Industrie sind , was die Bildung eines ländlichen Proletariats scho » ohne den Hang zum Trank begünstigen mutzte . Zeigen mehrere Ohmgeldkantone eine starke über seeifche Auswanderung — meistens ein Symptom wirthschllstlichen Niedergangs — fo ist dies auch bei andern Kantonen der Fall , wo man den Schnaps viel weniger kennt und kein Ohmgeld oder nur ein mäßiges bezieht , so bei Zürich , Schwyz , Glarus , Schaffhausen und einigen Bezirken des Wallis . Auch für den Umfang des schädlichen Alkoholismus im Allgemeinen ist nicht das Ohmgeld und dessen Höhe ein sicheres Erkennungszeichen . In den Tabellen der dienst untauglichen Rekruten und der Sterbefälle wegen Alkoholgenuß , welche die bundesrälhliche Botschaft über die Alkoholfrage aufgestellt hat , liefern Kantone ohne oder mit geringem Ohmgeld gleichwohl sehr beträchtliche Kontingente .

Herr Wolf erklärt uns dann freilich , der NIko holuorlage sei eine Berechnung zu Grunde gelegt worden , welche auf eine Konfumverminderung von 50 , 000 Hektoliter rechne und daraus folgert er , man habe den fiskalifchen Gesichtspunkt dem sozialen unteigeordnet . Solche Rechnungen lassen sich aber mit Bequemlichkeit anstellen , das Papier ist willig , und steigert man den Steueransatz , so läßt sich jede Konsumuerminderung leicht ertragen . Nur sind die Rechenmeister nachher übel aus ihrer Rolle gefallen . Sie haben , um die Kantonsstaatömännei noch mehr zu kitzeln , ausgerechnet , wie oiel bei einem Anfatz von 75 Rappen ( statt 50 ) und gar bei einem Ansatz von 1 Franken zu verdienen wäre , — der beste Beweis , daß sie in unbewachten Augenblicken an eine Konfumverminderung nicht glauben und nur in bewachten Augenblicken von 50 , 000 Hektoliter Rückgang fprechen .

Herrn Wolf dürfte übrigens aus feiner öfter reichischen Heimat genügend bekannt sein , wie zweifelhaft solche Voranschläge und wie groß die Versuchungen des Fiskus sind , ganz wie cr aus seinen heimatlichen Verhältnissen auch wissen dürfte , daß der Wein- und Bieroerbrauch cineifeits , der Branntweinverbilluch anderfeits nicht in einfacher Wechfelwiikung zu einander stehen und in ökonomisch guten Jahren in Oesterreich beide stiegen , woraus sich erstens die Abhängigkeit des GetränkeKonsums von der sozialen Lage ergibt und zwei tens auch folgern läßt , daß der Branntwein selbst durch Wein und Bier nicht ohne Weiteres aus dem Felde geschlagen weiden kann , wo er einmal heimisch geworden ist . Die Alkoholindustrie will Hr . Wolf bei uns

aussterben lassen ; dieselbe vroduzne m andern Ländern unter vortheilhafteren Bedingungen . Hr . Curti bemerkt dazu : Wir wußten längst , daß man in den leitenden Kreisen ebenso denkt , doch wurde diese Seite der Frage höchst diskret behandelt . Herrn Wolf danken wir dafür , daß er ungeschminkt redet . Da der Bundesrath halsstarrig jedes Mo nopol verwirft , so wird kein Mensch es glauben , daß derselbe später das Branntweinmonopol einzuführen gedenke , und wir wenigstens halten dessen Erwähnung im Art . 31 nur für eine Fischerlist , die unerfahrene Fische läuschen mag . Dann aber bleibt blos die Alternative : Entweder Bezug alles Getreide- und Kartoffelbranntweins aus Preußen oder Bau einer großen Brennerei auf Aktien , eine Art Privatmonopol von Schnapsbaronen .

Daß die kleinen Brennereien unter dem Alkoholgesetz nicht mehr bestehen können , ist allgemeine Annahme ; aber auch dic größer « können es nicht mehr . Gut , sagt man , wir brauchen sie nicht . Schön ! Das Volk jedoch wird die rechtschaffene Meinung haben , in einer Zeit , da man so viel von der Erhaltung unserer Industrien und der Einführung neuer redet , reime es sich schlecht damit , die einheimische Alkoholfabrikalion zu ruiniren , nur um den letzten Tropfen Schnaps aus Preußen zu beziehen . Es wird finden , es fei nicht gleichgültig , ob eiue Anzahl Hände mehr oder weniger beschäftigt werden , — ob wir mit dem Nebenprodukt der Alkoholfabrikation , der

Schlempe , einige tausend Kühe aufziehen können oder nicht , und das Ding gebührend verwerfen .

In Sachen des bürgerlichen Schnlfsnos ist nun das Urtheil des Bundesgerichtes bekannt . Ls handelt sich , um dies kurz vorauszuschicken , um den Streit , ob der bürgerliche Schulsond von Chur , etwa 220 , 000 Fr . betragend , an die Einwohnergemeinde zur Verwaltung un ) Nutznießung für allgemein städtische Schulzwecke aus » hingehändigt , oder als besondere „ Ztistung , wie die Bürgergemeinde will , der bürgerlichen Verwaltung erhalten bleiben soll . Der Kleine und der Große Rath beschlossen das Erstere , indem sie die sachlichen und Kompetcnzeinreden des Bürgerrathes als unbegründet abwiesen . Namens des Bürgerrathes ergriff dann Hr . Advokat Hiltv in Bern Rekurs an das Bunbesgericht . Die streitige Frage sei eine solche des bürgerlichen Rechts und daher nicht von den politischen , sondern von den gerichtlich en Behörden zu entscheiden . Von diesem Standpunkt aus enthalte der Entscheid der kantonalen Behörden eine Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennnng und damit zugleich eine Verletzung der Bundes- und Kanton suerfassung . Das bundcsgelichtlichc Urtheil lautet nun : In erster Linie ist zu untersuchen , ob die politischen Kantonalbehürden zum Erlasse der angefochtenen Entscheidung kompetent waren oder ob letzterer einen verfassungswidrigen Eingriff in das Gebiet der richterlichen Gewalt enthält .

Hierüber ist zu bemerken : die Streiti gkeit zwischen der Einwohnergemeinds und der Bürgelgemeinde Chur üder den sog . bürgerlichen Schulsond bezieht sich nicht auf das Eigenthum an diesem Fonds , sondern darauf , ob , nachdem in Folge des kantonalen Niedeilassungsgesctzes von 1874 die frühere einheitliche ( Bürger- ) Gemeinde der Stadt Chur sich in eine Einwohner- und eine Bürgergemeinde gespalten hat . Recht und Pflicht der Verwaltung und Verwendung des streitigen Schulfonds dcr eiuen oder andern dieser öffentlichen Korporationen zustehen . Diese Frage ist keine piivatrechtliche , sondern eine ftaatsiecht liche . Denn Verwalmngsrecht und Ver- > wallungspflicht der einen oder andern Gemeinde an dem streitigen , unzweifelhaft öffentlichen Zwecken gewidmeten Schuliond , stehen derselben gewiß in öffentlich-rechtlicher Eigenschaft als Korporation des öffentlichen Rechts und nicht als Pcioatrechtssubjekt zu . Die Ausscheidung der Verwallungsbefugnlsse zwischen den durch die Spaltung der Gemeinde in Einwohner- und Bürgergemeinde entstandenen zwei Genieindekorporationen aber ift nicht nach prioatrechtlichen , sondern nach o sfent » lich-rechtlichen Grundsätzen , nach den Bestimmungen des kantonalen Niederlassungsgesetzes zu beurtheilen . Ebenso ift die Frage der Zweckbestimmung des Schulfonds nicht eine Frage des Privat-, sondern des öffentlichen Rechts .

Ob der Fond sich als Stiftung im eigentlichen Sinne des Wortes , d . h . als selbstständiges Rechtssubjekt qualifizire , ist nach dem Gesagten sür die Berechtigung und Verpflichtung der einen oder andern Gemeinde , Verwaltung und Ver-

Wendung desselben zu bestimmen resp . zu überwachen , nicht entscheidend . Wenn daher auch richtig ist , daß die Frage nach der selbst ständigen juristischen Persönlichkeit des Schulfonds sich als cine privatrechtliche qualifizirt , fo wird doch dadurch die Kompetenz der politischen Behörden zur Entscheidung über bie vorliegende Streitigkeit nicht aufgehoben . Vielmehr folgt daraus blos , daß rücksichtlich dieser Frage , s ofern Jemand an deren richterlicher Entscheidung ein praktisches Interesse zu besitzen glauben sollte , der Rechtsweg vorzubehalten ist . Wenn demnach die politischen Behörden zur Entscheidung über dic in Rede stehende Streitigkeit kompetent waren , fo kann offenbar von einer VerfassungsverletzungnichtdieNede sein . Denn die angefochtene Entscheidung ist gewiß keine willkürliche , sondern eine auf fachlichen , übrigens der Sachprüfung des Bundesgerichts sich entziehenden Gründen beruhende .

Demnach hat das Bundesgericht erkannt I . Der Rekurs wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen . 2 . Die Kosten weiden der Returrentin auferlegt .

Zahlen . „ Die Zahl der gegenwärtig in Bünden frische Luft , Mineralwasser und Veltlinerwein kneipenden Fremden darf füglich auf 10 , 000 geschätzt werden und diese wiedelholt sich während der zweimonatlichen Saisonzeit zwei Mal , somit beziffert sich die Totalfrequenz auf 20 , 000 Kuranten ü , Fr . 500 durchschnittliche Auslagen , macht die schöne Summe von Fr . 10 Millionen aus , die auf die Köpfe vertheilt ca . Fr . 100 treffen würde ; da dies aber nicht ge geschehen kann , so trösten wir uns damit , daß das Geld wenigstens im Lande bleibt und verschiedenen Gewerken zu Gute kommt . So wird man reich im Handumdrehen — auf dem Papier ! — Chur . Ein Schweinehändler von Vcittis und dessen Frau wurden vom hiesigen Kreisgerichte wegen Kuppelei beide zu zwei Monaten Gefängniß und er überdies zu dreijähriger Ein stellung in den bürgerlichen Rechten verurtheilt . Eine dritte Person erhielt wegen gewerbsmäßiger Unzucht 14 Tage Gefängniß und Ausweifung auf 1 Jahr aus dem Kreis . So meldet „ Tagblatt . Dasfelbe Gericht hat ferner einen italienifchen Arbeiter wegen Diebstahls zu 24 Tagen Gefängniß und den Kosten verurtheilt .

— Chur . s ^ Die hiesige Grütlischützengesellschaft macht morgen einen Ausmarfch nach Felsberg und hält dort Schießübung . Die übrigen Vereinsmitglieder und Freunde sind zum Mitgehen freundlich eingeladen . — Chur . Im Inseratentheil der hiesigen Tagesblätter entwickelte sich folgender interessante Dialog : „ Soeben erschien im Selbstverläge des Verfassers : Die Pflichten der Haussrau oder was ist Koketterie ? Von F . M . Niemand . Preis broschirt 1 Fr . 50 . Die Antwort ließ nicht auf sich warten : „ Soeben erschien im Selbstverlage der Verfasserin : Die Pf lich ten des Hausvaters oder was ist Eifersucht ? Von Frau M . in sris . Preis broschirt 1 Fr . 50 . Prisen nach beiden Seilen — wünschen gule Wirkung .

Graubünden . Zur diesjährigen Nlpprcimirung sind 15 Alpen aus den Gemeinben Samaden , Celerina , Z uz , Scanfs , Zernez , Guarda , Tarafp , St . Maria , Vlllcaua und Stall « angemeldet . Als Experten werden außer Herrn Frei ) fungiren : für Ober halbstein Hr . Landammann Fr . Peterelli in Savognino , für das Engadin Hr . Florian SaIuz in Lauin und für das Münsterthal Hr . Landa . C . Pitsch in Münster . DM- Mitgetheilt . Wic man hört , ist eine Mehrzahl von Inhabern von Obligationen des Hotel Kursaal Maloja angesichts des ausge brochenen Bankerottes dieses mit so großem Aplomb in Szene gesetzten Unternehmens entschlossen , sämmtliche Verwaltungsräthe dafür verantwortlich zu machen , daß ein im Jahr 1883 und 84 von der Gesellschaft aufgenommenes Anlehen von einer Million statt , wie es in den Obligationen selbst heißt , zum Bau eines zweiten Hotels , zur Zahlung alter Schulden verwendet wurde .

^ ,. N . Z . Z . und „ F r . Rh . leitartikeln über „ die Opfer der Arbeit . Sie verstehen darunter aber nicht etwa die armen Teufel , die bei ihrer oft erbärmlich bezahlten Lohn arbeit zu Krüppeln oder todtgeschlagen weiden , sondern die in der Klemme sitzenden Arbeitgeber , Fabrikanten : c ., von denen ein Bild entworfen wird , als ob sies um viele 100 Prozent schlechter hätten als die ärmsten FabrikProletarier ! Wir wissen nicht , ob Hr . Gengel , indem er so de- und wehmüthig für die „ armen Fabrik Herren und Arbeitgeber das staatliche Mitleid anrief , auch xro äoinc » sprach ; daß er aber mit der Lage eines Taglöhners oder Baum Wollspinners , der mit 1 >/ 2 bis 2 Fr . Taglohn sich und feine Familie „ ernähren muß , nicht tauf chen würde , das unterliegt gar keinem Zweifel . Der „ ärmste Fabrilherr hat noch täglich sein Fleifch und feinen Wein , während der „ beneidenswerthe Arbeiter sich mit Cichoiienbrühe und Schnaps begnügen muß . — In der Gegend des Hinterrheins sind sie glücklicher als in den meisten übrigen Theilen des Kantons : es gibt dort . Dank der besondern Lage der Landschaft , viel Heu . Wie im Thal so sind auch die Beigwiesen , Heim- und Alpenweiden grasreich bis auf die Bergkuppen .

— In Disentis starb Hr . Oberst Heß , der sich durch Ordnung und Registrirung mehrerer bündnerischer Archive , sowie durch größere selbstständige Beitiägezur Bündnergeschichte Verdienste erworben hat . — Im „ Tagblatt macht einer in runden

Inland . Das Gesuch der schweiz . geographischen Gesell schast , der Bund möchte die Ausgaben verschiedener geographischer Lehrmitttel für die Schulen veranstalten , sowie die Lehrer in den Nekiutenschulen znr Verferligung von Karten und Reliefs anleiten , wurde vom Bundesrath abgelehnt , weil hiezu theils die Kompetenz , theils die Zeit mangle . — Nachkommen des Wilhelm Tell . Anläßlich des jüngsthin in Milwaulee abgehaltenen Schweizer-Volksfestes wurde nach der „ Amerik . Schweizer-Zeitung die sonderbare Mittheilung gemacht , daß laut vor einem öffentlichen Notar beschworener Anzeige eine Frau Florentine John , bald 55 Jahre alt und gebürtig aus Hobbach , Pfarramt Eschau , Königreich Bayern , gegenwärtig wohnhaft in Milwaulee , bezeugt : baß sie und ihr Bruder Iofeph gebor ne Tell sind , daß sie noch cin paar Brüder in Bayern habin und daß sie nach den Berichten uon ihren Eltern und Großeltern überzeugt ist , daß sie insgesammt wirkliche Nachkommen des Schweizerhelden Wilhelm Tell seien und daß ihr Geschlecht , so viel sie weiß , von jeher das folgende Wappen führte : ein mit einem Pfeil durchfchossener Apfel , worin der Pfeil noch steckt , und ein zweiter Pfeil daneben , darunter der Namenszuq „ Tell .

— Das „ Thurg . Tagbl . bestätigt das in unserer Bundesstadtkorrespondenz in letzter Nummer betreffend die Festrednerei Gesagte , indem es bemerkt : „ Ob der Mangel neuer Ideen auf der Tiibüne seine Ursache in der Noth des Volkes , in einer gewissen Mutlosigkeit angesichts des wirtschaftlichen Rückganges hat , wagen wir nicht zu entscheiden . Das aber scheint uns sicher , daß

der richtige Ausdruck für das , was das Volk fühlt , denkt und wünscht , an diesem Schützenfest noch nicht gefunden worden ist , vielleicht auch nicht hat gefunden werden tonnen , weil dieses Fühlen , Denken und Wünschen noch nicht ins volle Bewußtsein des Volkes gelangt ist . — Nach dem Verlrag zwischen den deutschen Rheinuferstaaten , Holland und der Schweiz bestehen nunmehr für die Lachsfij cherei im Rhein folgende Schonzeiten : I ) Jeder Sonntag ; 2 ) die Zeit vom 16 . August bis zum 15 . Oktober jeden Jahres . — Deutsche , französische und schwedische Professoren der Chemie , welche diefen Sommer den Neubau beim Polytechnikum in Augenschein nahmen , haben nach der „ N . Z . Z . übereinstimmend sich geäußert , daß das eidgenössische Chemiegebäude , das von den am Polytechnikum wirkenden Professoren Bluntschli und Lasius entworfen woroen , feiner Disposition und Anlage nach das schönste der Welt sei . — So gute Republikaner wir sind , so vernarrt ist man bei uns in gewisse Titel . Muh man denn wirklich einen Schützenkönig haben ? In Bern ist uns übrigens die Ehre , den „ Schützenkönig zu besitzen , von einem Tyroler fast weggekappert worden ; er blieb nur um 3 Nummern hinter dem Zürch er Gugol z , der 140 machte und damit siegte , zurück . Der Tyroler soll bessere Patronen gehabt haben .

Zürich . Laut einer Kundgebung im „ Zürch . Tagbl . wollen demnächst die Ehe eingehen : Joseph Anton Hcissig und Sophie Bissig . Wünschen Glück ! — Zur letzten Gemeindsversammlung des Seknndlllschulkreises Hausen erschienen im Ganzen zwei Mann , nämlich Präsident und Schreiber . Die konnten natürlich nichts Besseres thun , als auch schleunigst dem Vergnügen oder den Geschäften nachgehen . — Der Gewerbeverein Zürich bekundete in der Frage , ob der Handelsvertrag mit Deutschland zu künden sei , bedenklichen Schlotter ; der Referent sprach den Handwerkern sogar das Recht ab , in tzandelssragen mitzusprechen , das fei nur für die großen Handels- und Industrieherren . Dem hätte eine derbe Antwort gehört ! — Die Kantonalbank hat im letzten Jahr einen Reingewinn von 108 , 871 Fr . oder 41 , 806 Fr . mehr als im Jahr 1883 erzielt . Der Gesammtverkehr der Anstalt betrug rund 2000 Millionen Fr . Nm Schlüsse des Jahres waren an verfallenen Jahreszinsen nicht weniger als 795 , 032 Fr . in 5536 Posten rückständig , ein Umstand , aus welchem man schließen kann , daß die Situation der Landwirthschaft fehr schwierig ist . — In Neftenbach verdienen die Schullinder ihren Eltern ein hübfches Geld mit — Mausen . In 6 Wochen fingen sie 6000 Mäuse und er > hielten dafür 500 Franken .

Ilern . Die etwa zweihundert Meter lange Bahn vom Aarzieli bis zur Bundesterrasse hatte bereits Malheur : es ging ein Rad in Stücke . Bei der Untersuchung erwies es sich , daß sämmtliche acht Laufräder der beiden Wagen gewechselt werden müssen . Die Verwaltung beabsichtigt , die Bauunternehmer für den Schaden und den entgangenen Gewinn haftbar zu machen . Die Aktionäre können indessen ruhig fein , denn allbereits hat sich ein reicher Amerikaner gemeldet , welcher die ganze Bahn kaufen will , um sie seinen Kindern als Spielzeug oon der Schweizerreise nach Hause zu bringen , spottet das „ Basl . Volksbl . — Die Ardeiter der Uhrenfabrik Delsberg , wahrfcheinlich eimuthigt durch den Erfolg ihrer Kollegen in Grenchen , haben , um höhere Arbeitslöhne durchzusetzen , die Arbeit eingestellt .

— Der nordamerikanische Gesandte in Bern kam letzthin in die unangenehme Lage , 156 Unter schuften legalisiren zu müssen uno dasur 1560

Fr . einzustreichen . Das war im großen Taglohn gearbeitet . Zargau . H ^ Die Großrathswahlen scheinen am Dienstag so ziemlich alle zu Stande gekommen zu sein . Wegen der Erntearbeiten haben stch die Bürger beeilt , das Geschäft so rasch als möglich abzuwickeln . Sehr viele Bestätigungen . Das demokratische Element ist weit in Minderheit . Fatal , aber das wird so lange bleiben , als unser Volk mehr auf die Perfon und dessen Geldfllck schaut , als auf die persönliche Tüchtigkeit . Es wird zwar selbst darunter leiden , allein nur bittere Erfahrungen werden es klug machen . Man macht den Bock nicht ungestraft zum Gärtner , ebenfo wenig sollte man zum demokratischen Ausbau einer Verfassung Männer wählen , die den demokratischen Grundsätzen fern stehen . „ Die Erde braucht Negen , heißt es in einem Liede , Nach wochenlangem , herrlichen Sonnenschein , der die Trauben bereits blau färbt , sehnt sich die ganze Vegetation nach einem erquickenden Negen und nicht umsonst . Die Kartoffelstauden sterben ab , die Baume verlieren ihren Blätterschmuck , die Quellen trocknen .

Solotyur « . Eine Arbeiterversammlung , die in Grenchen stattfand , hat zur Vertretung der Interessen der Arbeiler und um das Möglichste zu thun , die dortige Industrie zu fördern , die Gründung eines allgemeinen Arbeitervereins befchlossen . — Die Schulsynode sprach sich auf Grund der Erfahrungen , die feit der Einführung der obligatorifchen Fortbildungsschule gesammelt wurden , mit Einstimmigkeit für Beibehaltung dieses Instituts aus . Luzern . Bis jetzt ist der Hagelschaden aus 37 Gemeinden bekannt , die Abschätzung ergibt eine Schadensumme von 2 , 505 , 693 Fr . — In Luzern wird eine landwirthschaftliche „ Winterschule eingerichtet und damit ein Konvikt verbunden . Ghurgau . In Bürglen warf ein Mann seine Frau in den Fabrikkanal , aus dem sie von herbeieilenden Leuten gerettet wurde . Der sonst , unbescholtene Thäter erklärt , daß ihn die Zanksucht seines Weibes zur Verzweiflung gebracht habe . Auch in Weinselben hat , wie das dortige „ Tagblatt meldet , das gleiche Motiv einen gutmüthigen Mann zur Verzweiflung und in den Tod getrieben . Die bösen Weiber !

Kt . Gallen . In St . Gallen starb der Vize direktor der Feuerversicherungsgesellschaft Helvetia Hr . Hermann Hanns .

— Bei Saarbrücken erschoß ein junger Mann seine bildschöne Geliebte und dann sich selbst ; die Eltern hatten sich einer ehelichen Verbindung widersetzt . — Preußen hat ein neues Gesetz erhalten , nach welchem zu Gunsten der Volksschullehrer die Pensionirung eingeführt wird . Die Pension beträgt bis zu 3 / 4 des letzten Jahreseinkommens . Bis zur Höhe von 600 Mark leistet die Staatskasse das Nöthige . — Die Kölner Stadtverordneten bewilligten 10 . 000 M . als Belohnung für die beim Retlungs werk betheiligten Perfonen . — Am deutfchen Turnfest in Dresden sind

Ausland . , Deutschland . Das Verbot bes Verkaufs von Netourbilleten , das bei den meisten deutschen Bahnen besteht , ist anläßlich eines konkreten Falles , wo solche Billete von Passagieren an Dritte verkauft wurden , vom Kammergericht in Berlin als ungültig erklärt worden , indem eine Bahn kein Recht habe , den Weiterverkauf von Retourbilletts zu verbieten . — Aus Berlin schreibt man der „ Köln . Volksztg . : „ Das hiesige „ Kleine Journal hat die bekannte Schilderung der Londoner „ Pall Mall Gazette über das moderne Babel durch Uebersetzung auch den des Englischen nicht kundigen Lesern zugänglich gemacht . Im Nu waren alle Verkaufsstellen leer . Die Expedition besorgt nun einen weiten Massenabdruck . Der Eindruck , welchen das hier in meist kurzen Strichen gezeichnete Londoner Laster auf den Lefer macht , ist mit dem Worte „ scheußlich noch in schmeichelhafter Weife bezeichnet . Einzelne Stellen sind geradezu herzzerreißend , obwohl die Form der Schilderung eine ganz schmucklose und ungekünstelte genannt werden muß . Und doch ist das Ganze nur der Jahrtausende alte Klagegesang der Armuth ; lediglich die Melodie ist diesmal eine andere .

unter den 37 Rangnummern mit Kränzen bedacht worden : der Zürcher Turner Oberholzer , derzeit in London , als sechster , und der eidg . Kranz turner Schuhmacher in St . Immer , als sechszehnter . — Deutschland wünscht auf der internationalen Telegraphenkonferenz eine gleichmäßige Taxe für alle Länder Europas , nämlich 40 Pfennig Grundtaxe und 16 Pfennig per Wort . Für die an grenzenden Länder soll die Worttaxe nur 8 Pig . betragen . Frankreich . Ueber die Madagastarfrage und Kolonialpolitik waltet in der Kammer noch immer große Debatte ; es fehlt nicht an kräftiger Ovpo > sttion gegen eine Fortsetzung der Abenteurern , die viel Geld und Blut verschlingt und Frankreich schlechten Ruhm einträgt . Oesterreich . Die ungarische Regierung hat mit sehr starken Steuer-Rückständen zu schaffen ; der Finanzminister hat nun die Steuerbehörden zur strengsten Eintreibung der Steuerrückstcinde « Mahnt . Wo Nichts ist , da hat aber auch der Kaiser das Recht verloren . — Die anarchistische Partei hat wieder mehrfach Zeichen ihrer Existenz von sich gegeben und die Behörde oarum neuerdings 8 Ausweisungen beschlossen ; diese betreffen meist Böhmen .

- ^ Dieser Tage langte bei einer Wiener Militärbehörde ein sichtlich mit besonderer Mühe uno Zeitaufwand ausgefertigtes Schriftstück eines Landgemeinde Bürgermeisters ein , in welchem mit einer außerordentlich erheiternden , aber nicht druckfähigen Motivirung die höchst originelle Bitte gestellt wird : das hochlübliche Kommando wolle den in seine Heimatsgemeinde — den Ort des Beschwerdeführers beurlaubten Gemeinen Josef M . ehebaldigst wieder einberufen , weil derfelbe „ bei den Weibsleuten im Orte zu viel Unheil anrichte ! — In Kronna bei Skutfch , Böhmen , geriethen zwei Feldarbeiter , . Vater und Sohn , in Streit . Der 20 jährige Sohn ergriff plötzlich eine Senfe und hieb mit derfelben seinem alten Vater den Kopf ab . Italien . In den agrarischen Kreisen Oberitaliens rumorts gegenwärtig immer noch . Leider lassen sich die Bauern unerlaubte . Ausschreitungen zu Schulden kommen , die ihrer Sache nichts nützen . Daß die Negierung nichts thut , ist traurig genug , es wird das nur dazu dienen , den Zustand zu verschlimmern . — Die italienische Marine ist wieder um einen Panzer Leoialhan , noch grüßer als der „ Dandolo , reicher . Das wicd die wirtschaftlichen Zustände Italiens lebhaft verbessern !

— In den Gefängnissen Italiens sitzen zur Zeit 400 zum Tode verurtheilte Verbrecher , denen durch Gnade des Königs die Todesstrafe in lebenslänglichen Kerker umgewandet wurde . Ongland . Die Regierung lacht sich ins Fäustchen : der böse Mahdi im Sudan sei nämlich , und diesmal gewiß , gestorben . Belgien . Anläßlich des Prostitutionsskandals und des Handels mit jungen Mädchen deuten die republikanischen Blätter ganz ungenirt an , daß der belgische König dieselben Neigungen habe , wie der englische Prinz von Wales !

Uußland . Aus Polen wird ein erschütterndes Unglück gemeldet , das in Folge Feuerallarms in einer Zigarrenfabrik in Bialystock sich ereignete . Die zahlreichen Arbeiterinnen , meist minderjährige Mädchen , preßten sich in dichten Haufen oor den Ausgängen . Als geöffnet wurde , rangen sechs derselben mit dem Tode . — In den baltischen Provinzen macht die griechisch-orthodoxe Kirche enorme Propaganda . Auf der Infel Dagden sollen innert 6 Monaten 1500 Personen der lutherischen Kirche den Rücken gekehrt und zur orthodoxen übergetreten sein . Nalürlich lange nicht alle aus Ueberzcugung ; die Agitatoren spiegeln den Leuten Landzutheilung vor als Belohnung und betrügen sie so . GürKei . Zur Abwechslung wird wieder ein » mal dem Sultan am Zeug geflickt und seine Gesundheit als zerrüttet bezeichnet . Er sei sehr uon Kiästen gekommen und seine Stimmung habe sich noch mehr verdüstert . Nun , es bekäme noch Mancher den Schlotter . wenn er ein solches Heer von Weibern hätte . Griechenland . Die Schneider in Athen demonstrirten vor dem Ministerium und verlangten Erhöhung des Zolls auf fertigen Kleidern aus Oesterreich ; der Ministerpräsident war so artig , Zusage zu versprechen . Amerika . In den Vereinigten Staaten soll die Hitze gegenwärtig kolossal sein , seit 1876 nie mehr so stark .

Asien . Infolge eines Erdbebens ist ein Dorf bei Nuttowe in Vengalen vollständig vom Erdboden verschwunden . Zentral Merband der Ztickereiindustrie der Oftschweiz und des Vorarlbergs . In Ausführung eines Beschlusses der Delegirtenversammlung hat das Zentralkomite in heutiger Sitzung folgendes Regulativ über das Ferggerwesen aufgestellt : 1 ) Als Fergger handelt und wird als solcher anerkannt Derjenige , welcher Stichnrbeit annimmt , um solche an Drittpersonen zur Verarbeitung abzugeben . 2 ) Die Fergger dürfen nur bis zu 2 Rp . von 1 < X ) 3 lich unter dem Original-Ausgabevieis Waare an Drittleute wieder ausgeben 3 ) Jede Stickete niuß den deutlichen Firmastemvel desjenigen Geschäftshauses tragen , w lchem das Muster oder der zu bestickende Stoff angehört . 4 ) Der Fergger hat auf Verlangen dem Sticker die Arbeitsnota , Abzugsnoten u . s . w . des Arbeitgebers vorzuweisen , damit sich derselbe von der Richtigkeit der ihm gemachten Angaben überzeugen kann . 5 ) Alle Arbeitgeber , Kaufleute , Fabrikanten unb Fergger sind angewiesen , auf den Original-, Nestellund Arbeitsnoten die Lieferzeit und den Preis genau anzugeben , damit bei Verspätungen oder vorkommenden Zwistigkeiten der fehlbare Theil leicht ermittelt werden kann . 6 ) Reklamationen und Abzüge aller Art zwischen Kontrahenten sind innert 14 Tagen zu machen .

7 ) Das Vereinsorgan wird von Zeit zn Zeit die Garnpreife veröffentlichen , damit sich alle Sticker vor llcberforderung schützen können . 8 ) Alle Sendungen sind gegenseitig zu frankiren . 9 ) Dieses Reglement kommt mit dem 15 . August d . I zur Anwendung . St . Gallen-Grabs , 24 . Juli 1885 . T > as Zentralkomite . Im Weilern hat das Zentralkomite beschlossen : die Arbeitszeit für sämmtliche Mitglieder des Verbandes ist uom 15 . August ab bis ausWeiteres auf 11 Stunden festgefetzt ( Vormittags von 6—12 und Nachmittags von 1—6 Uhr , in den Wintermonaten , Oktober bis März von 7-12 und l—7 Uhr ) : die Sonntagsarbeit ist durchgehends verboten . Da jedoch voraussichtlich die Reduktion auf I I Stunden noch nicht genügt , um gesundere Verhältnisse in der Stickereibranche zu erzielen , wird im Weilern beschlossen : Es sei den einzelnen Sektionsuorständen die Frage einer weitern Reduktion der Arbeitszeit uon l / 2 Tag per Woche ( nämlich jeden Samstag von Mittags 12 Uhr an ) zur Begutachtung zu unterbreiten unv soll diese Frage bis spätestens 10 . August beantwortet werden .

Schiffsnachrichten . Kabeltelegramm von der Auswanderungsllgentur Andreas Zwilchenbart in Chur . Der franz . Postdampfer „ Canada ist am 28 . Juli glücklich in New-Iort angelangt .

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