Bündner Nachrichten, 11. Oktober 1887 IIIF issue link* Inland [ARTICLE]

* Inland

Banknotenfrage . Die „ N . Z . Ztg . schließt einen Artikel , in welchem sie das auch von uns skizzirte Referat des Hrn . Brunner im St . Galler Industriellerem bespricht , mit folgenden Sätzen : „ Die Nüsse , die Herr Brunner bietet , haben leine Kerne . Nein , ohne Revision der Bundesverfassung und Gewährung des Notenmonopols an eine Bundesbank ( fei sie nun reine Staatsbank oder Privatbank oder beides zugleich ) ist eine befriedigende und sicherstellende Umgestaltung unseres Notenwesens nicht denkbar . Mit diesen Gedanken müssen sich alle Gegner des heutigen Zustandes vertraut machen . Unglück auf dem Bodensee . Das am Samstag Abend um 7 Uhr von Rorschach nach

sich los , nef weinend auf Jan zu und schloß ihn mit lauten Klagen in dic Arme . Der Sergeant war ihr jedoch eben so rasch gefolgt , und hatte ste wicdcr gepackt . Indem er die Hand auf ihre Schulter legte , wollte er sie van Jan losreißen , aber die jammernde Trien hielt ihre Arme wie ein eisernes Band fest um den Körper ihres blinden Freundes geschlossen und leistete der heftigen Gewalt des Sergeanten Widerstand . Dieser rief Kobc zu , welcher bestürzt neben der Thür stand : „ Korporal ! Was bleibt Ihr dort stehen ? Hierher ! Ich befehle Euch , daß Ihr selbst die Bäuerin aus der Thür werft , oder Ihr sollt cs mir theuer bezahlen . Sputet Euch ! Kobe näherte sich dem Mädchen , faßte es am Arm und sagte : „ Trienlieb , es thut wir weh , aber da kann nichts helfen . Geht nur ruhig fort ; sonst werfen sie Euch noch die Treppe hinunter . Die Consigne ist einmal so ; der Sergeant muß thun , was scin Dienst befiehlt .

Trien ließ ihren Freund los und den Kopf mit stiller Würde aufrichtend , trat sie auf den Sergeanten zu und sagte :

„ Herr Oberster , ich will gchcn , aber Freund , verzeiht es mir und verzeiht es Kobe auch : Gott wird Euch gewiß dafür belohnen , denn es ist ein gutes Werk . Ihr habt doch auch ein Herz im Leibe und alle Menschen sind ja Brüder in der Welt . Nicht wahr , Herr Sergeant , Ihr werdet so gut sein und es vergessen ? Ich werde Eurer in allen meinen Gebeten gedenk sein . Des Sergeanten Zorn legte sich , als cr sah , daß man so demüthig seinen Befehlen Folge leistete ; die süße Stimme und die eindring lichen blauen Augen dcs Mädchens hatten sein Gcmüth erweicht , und er antwertete gutherzig : „ Nun denn , geht aber rasch fort — und wenn die Uebcrtrctung verborgen bleibt , so will ich , aus Mitleid mit Euch , dic Sache verschweigen und vergessen . „ Ach , Ihr guter Mensch ! — rief Tricn . — „ Ich wußte es wohl , Ihr sprecht ja auch Vlämisch wie wir ; ich gehe augenblicklich , nur noch ein einziges Lebewohl !

Sie umarmte nochmals den unglücklichen Blinden , der sprachlos ihren Abschicdskuß empfing , murmelte einige Worte in scin Ohr und wandte sich dann schluchzend dcr Thür zu .

Lindau abgehende KursMff „ Stadt Lindau wurde am 8 Uhr 10 Min . vor dem Lindauer Hafen vom österreichifchen Dampfer „ tzabsburg in den Grund gebohlt . Um eine Verspätung wieder einzuholen , ging der Steuermann vom vorgeschriebenen Kurse ab und fuhr dem Dampfer „ Lindau mit voller Dampfkraft in die Flanke . Drei Menschenleben sind zu beklagen : 1 Mann , 1 Frau und 1 Kind . Auch die ganze Post ist untergegangen . Der „ tzabsburg erhielt ein bedeutendes Leck . Die Katastrophe ereignete sich bei nebelfreicr Witterung . Der an beiden Dampfern verurfachte Schaden beträgt etwa 40 bis 50 , 000 Mark . Vom untergegangenen Schiffe ragt nur noch ein Stück des Mastes aus dem Wasser hervor . So berichtet ein Extrabulletin des „ Ostschweiz Wochenbl . Erfindungsschutz . Die zur Begutachtung des Elfindungsschutzgesetzes bestimmte Kommission besteht aus den HH . Nationalrath Bühler-Honegger , Nationalrath Stößel , Ständerath Gavard , FreyGodet , Sekretär des internationalen Burecms für gewerbliches Eigenthum in Bern , Ingenieur Haller und Redaktor Adolf Ott in Bern , Bundeslichter Morel und je einem Vertreter des schweiz . landw . Vereins , der Gesellschaft ehemaliger Polytechniker , des schweiz . Ingenieur- und Architekten , des Handelsund Industrieoereins , des Elfindungs- und Musterschutzverelns , des schweiz . Gewerbe- und des Grütlivereins . Die Kommission versammelt sich am 20 . Oktober .

Weltausstellung und Landwirthschaft . In der Gesellschaft fchweiz . Landwirthe wurde erklärt , die Landwirthe feien ausstellungsmüde und hätten erkannt , daß nur nach längern Paufen oder bei kleinern Veranstaltungen die Betheiligung sich lohne . Es erging der Befchluß , eine allgemeine Betheiligung der fchweiz . Landwirthschaft an der Pariser Weltausstellung sei nicht wünschbar . Nationalrathswahlen . Eine Deleglrtenversammlung der Grütlivereine des 31 . Wahlkreises beschloß gestern einstimmig , für die Wiederwahl von Curti und Good einzustehen . Den Vertreter der Altliberalen , Suter , will man aus Billigkeitsgründen ebenfalls belassen . Im Aargau scheint es in 2 Kreisen Kämpfe abfetzen zu wollen . Im 38 . Kreis haben die Liberalen beschlossen , Großrath Vogler in Rohr » dorf dem konservativen Münch gegenüberzustellen . Derselbe ist Volkswirthschafter . Im 37 . Kreis wird

Hauptmann Erismann angefochten ; tue Demokraten portiren an dessen Stelle Oberst Marti . In Neuenburg ist bie Losung der Radikalen : „ die Alten , s . Wllhlprogramm . Auch das Arbeiterwahlkomlte in Zürich hat für die Nationalrathswahlen ein Programm ausgestellt . Dasselbe fordert , in öko > nomifcher Richtung : staatliche Unfallversicherung mit Befreiung der Arbeiter vom Beitrage , obligatorische staatliche Krankenversicherung mit progressiven Beiträgen nach Vermögen und Einkommen , Altersversicherung , VerstaatlichungdesgesammtenVersicherungS ,- sowie des Bank- unr Eisenbahnwesens , des Gelreidehandels , der Tabak- und Zündholzfabrikation , Führung der eidg . Bauarbeiten durch Bundesbeamte in Regie , fo daß der Unternehmergewinn den Arbeitern zu Gute kommt ; in politifcher Richtung : obligatorisches Referendum , Volksinitiative mit nicht mehr als 30 , 000 nöthigen Unterfchriften , Vereinheitlichung des Privat- und Strafrechts , Trennung von Kirche und Staat , unentgeltlicher , einheitlicher eidg . Schulunterricht mit Unentgeltlichkeit der Lehrmittel an allen Schulftusen , Stipendien , Schutzzölle , soweit sie dienen lönnen .

Sozialistischer Parteitag . ( Korr . ) Der Parteitag der deutschen Sozialdemokratie in BruggenSt . Gallen schloß mit einer großen Vollsversamm » lung , an der unter Beifall Liebknecht und Auer die Bestrebungen der Sozialdemokratie beleuchteten . Auf Antrag von Fürsprech Scherrer-St . Gallen erklärte die Versammlung , daß der Parteitag sich innerhalb der Schranken unseres Rechts und unserer Gesetze gehalten habe . Es ist überhaupt , gegenüber auf neue Verfolgungen tendenziös berechneten falfchen Mittheilungen deutscher Blätter zu konftatiren , daß der Kongreß nicht geheim , sondern öffentlich tagte , daß es keine Mandate gab , nicht Organisationen , keine Geheimbünde vertreten waren und daß sehr anständig verhandelt wurde , die Traktandenliste auch nichts enthielt , was unsere Bürger nicht alle Tage in Versammlungen besprechen . Gegenüber schweiz . konservativen Blättern ist zu sagen , daß unser Vereinsrecht so gut für die Sozialisten da ist als für die deutschen Philologen , die Friedens , und Freiheitsliga , Eisenbahn » und Sanitätskongresse und alle andern internationalen Vereinigungen .

Obst- und Gemüsekonserven . Aus den eidg . Zolltabellen läßt sich statistisch nachweisen , daß die Einfuhr an gedörrtem Obst während der letzten 20 Jahre stetig und zwar von 2200 auf 31 , 000 Doppelzentner gestiegen ist . Einer jährlichen Einfuhr im Werthe von I V 2 bis 2 Millionen Franken steht ein jährlicher Ausfuhrwerth von nur 70 bis 80 , 000 Fr . gegenüber . Nus Deutfchland und Oesterreich allein wird Dörrobst im Werthe von ca . 1 / 2 Mill . Franken eingefühlt . Aehnliche Erfcheinungen zeigen sich auf dem Gebiete der Gemüfeverwerthung . Die Gemüsekonserven sind ein bedeutender Handelsartikel geworden . Das amerikanische lonservirte Gemüse finden wir überall in der Welt . Die Einfuhr in dle Schweiz ist namentlich in den letzten Jahren bedeutend gestiegen und zwar derart , daß die Einfuhr die Ausfuhr um ca . V ^ Million Franken übersteigt . An Absatz könnte es somit einer schweiz . Obst- und Gemüsekonservenfabrik nicht fehlen .

Luzern . Die Abhaltung des eidg . Turnfestes in Luzern ist vom Komite definitiv auf die Zeit vom 29 . Juni bis 10 . Juli 1888 festgefetzt worden . Als Festplatz ist die Seefeldmatte gewählt . Der fchöne Platz dürfte vom letzten eidg . Sängerfeft her noch in

Kraftlos und voll Verzweiflung , folgsam wie ein Märtyrer , ging sie zwischen dem Sergeanten und dem Korporal die Treppe hinunter und trat in den offenen Vorhof . Hier ließ sie sich fortstoßen und z iehen , denn ihre Füße verweigerten die Bewegung . Auf der Schwelle von einer der Thüren , die zu dem Vorhofe führten , stand eine reich gekleidete Frau mit edeln Zügen . Sie betrachtete aus der Ferne das weinende Mädchen und schien begierig , zu erfahren , was sich da zutrage . Je näher ihr Ienc kam , um das Thor zu erreichen , desto mehr drückte ihr Blick Mitleid aus . Tricu ward es gewahr ; ein Strahl der Hoffnung drang ihr in die Brust . Dies entging Koben nicht , er flüsterte ihr ins Ohr : „ Das ist die Frau von dem Vorgesetzten des Hospitals ; 0 , eine sehr gute Frau . Sie ist von Antwerpen .

Das Mädchen schritt jetzt rascher fort und fchien Eilc zu haben , zum Thore hinaus zu kommen ; als es sich aber in der Nähe der rei ch gekleideten Dame befand , lief es plötzlich auf dieselbe zu , warf sich vor ihr mit ausgestreckten Armenhaus dieSKniceAmd rief ^ :

„ Ach , Frau ! Hülfe , Barmherzigkeit für einm armen Blindcn ! Dic Frau schien überrascht und verlcgcn über diesen unerwarteten Kniefall ; eine Weile betrachtete sie die junge Bäuerin , welche ihre schönen blauen Aligen wic zu inbrünstigem Gebet auf sie gerichtet hielt , und unter Thränen hoffnungsvoll lächelte , als danke sie bereits für eine empfangene Wohlthät . Sie ergriff Trien bei beiden Händen , richtete sie auf und sagte freundlich zu ihr : „ Annes Mädchen ! Komm herein , liebes Kind , was ists , das Dich so betrübt ? Mit diesen Worten und ohne auf den Sergeanten zu achten , der Hüftich die Hand an die Stirn legte , führte sie die Jungfrau in ihre Wohnung , und schob ihr einen Stuhl hin , um sich zu setzcn .

Im Zimmer befand sich ein Ofsiz icr , der vor eincm Pulte stand und schrieb ; neugierig und theilnehmend sah cr von seiner Arbeit auf und betrachtete das weinende Mädchen . Die Frau — sie war des Offi z iers Gattin — faßte von Neuem die Hand der Jungfrau und fagte : ,, Ko ! nm , Womm , Mädchen , lrüste Dich nur ; es soll

bester Erinnerung sein . Zum Präsidenten des Bau « komites wurde Herr Bauinspeltor Stirnimann gewählt . Appenzell . Die Kommission , welche mit der Verbreitung guter Volksschriften betraut ist , hat beim Herannahen der langen Herbst- und Winterabende wieder einen Kolporteur ausgeschickt , der , mit ausgewählten , populären Schriften verfehen , seinen Gang durch dieses Ländchen machen soll . Das ist offenbar das beste Mittel , um die massenhaft lolportirte Schundliteratur zu verdrängen . Sarg «« , sü Anfangs dieser Woche beginnt bei uns überall die Weinlese , wobei man mit der Quantität wie Qualität noch zufrieden sein kann , aber von einem 65 er ist keine Rede . Was der Mai verdorben , das konnten die übrigen Monate leider nicht mehr nachholen . Es wird in den Zeitungen aus Baden von hohen Weinprclsen gemeldet : 155 Fr . per Saum . Das sind natürli ch Ausnahmen .

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