Bündner Nachrichten, 31. Juli 1887 — Graubünden [ARTICLE]

Graubünden

29 podestat Job . Sslzzeber von Seewis . Man sprach schon einige Tage von dem Durch

marsch der russischen Armee unter dem General Suwarow , allein da dieses Gerücht wiederum erftillte , so glaubte man , er sei auf einer andern Seite vom Kanton Tessin in die kleinen Kantone der Schweiz gefallen . Wir begaben uns auf den Weg . Sie war zu Pferd und ich zu Fuß . Zwifchen ZizerS und dem lleinen Rüfe-WirthShaus begegneten uns einige rufsifche Reiter , deren jeder eine lange hölzerne Stange im rechten Steigbügel stehend und zu oberft mit eifernen Lanzen versehen , am Arm in einem ledernen Riemen haltend , bei stch hatte . Wir kehrten auf der Rufe ein , ein Glas Wein zu nehmen , um , wie wir hofften , die mehrften vafsiren zu lassen . Dort fahnden wir ben Herrn Pfarrer Bernau , der auch nach Chur gehen wollte . Da diefer einzelne Zug nicht aufhören wollte , sondern sich immer vermehrte , so begaben wir uns in Gesellschaft besagten Herrn Pfarrers auf den Weg . Bald lam alles durcheinander Reiterei , Fußvölker , Pllckpferde , geladene Efel — die ganze breite Straße voll . Gleich packten etliche Soldaten den Herrn Pfarrer und nahmen ihn ein wenig bei Seite , ihn zu plündern .

ES that mir sehr leid , daß ich ihm mcht beistehen konnte unb ihn als Freund unterstützen , allein ich mußte besorgt sein , die Schwägerin aus der Gefahr zu erretten , fonft hätten wir beide das gleiche Schickfal bekommen . Ein Italiener , der einen geladenen Efel hatte , schüttelte den Kopf und rufte mir zu : » ol » itiii iu » u . Zum Glück verstünde seinen gutgemeinten Rath , ich solle mich aufwärts begeben ; gleich führte das Pferd durch eine Rufe hinauf , sähe noch so viele um den Herrn Pfarrer umstehen , als Platz war , und ihn nöthigen , herzugeben , was er hatte , und eilte , fo viel ich konnte . Als ich noch ein wenig still gehalten , sähe ihn endlich ob ber Straße ohne Schuh vorbei laufen . Seither » habe ich ihn nie wieder gefehen . Wir zogen hinauf und begaben uns unter dem Walde nach Chur , fahen immer den vollen Zug der Armee durch die Heerstraße und dankten Gott , daß wir auf der Seite waren . Als wir nahe an Chur kamen , zogen die letzten zwifchen den Quadern weg . Nun waren wir über unfere glückliche Ankunft fehr froh . Bei solchen Anlässen ist eine FrauenzimmerGesellschaft nicht die bequemste .

Sils . Nunmehr hat die Regierung die Herren Reg .-Statth . Peterelli in Savognino , Major Max Passett und Beziiksrichter Ambühl in Thusis als Baulommissiire für Sils ernannt . Dieser Kommifsion ift Hr . Bezirlsingenieur Albrici als Techniker beigegeben . Die Kommission und der immer bewährte gesunde , praktische Sinn der Bevölkerung des unglücklichen Sils bürgen dafür , daß ein recht zweckmäßiger und Alles befriedigender Bauplan acceptirt werden wirb . Hotelerie . ( Einges . ) Wie man vernimmt , hat Hr . Thom . Fankoni in Samaden unb St . Moritz das Effekt „ Weißenftein („ orarip » , 1 v ) auf der Höhe des Albula erworben . Er gedenke die Gebäulichkeiten zu vergrößern und zu Hotelzwecken zu verwenden .

Ob Hr . Fankoni sich dazu auch die Genehmigung des Einsenders in Nr . 173 des „ Rhätier verschafft hat ? Diefer Einsender hat , wie es fcheint , alle gesunde Alpenluft und andere Vorzüge unseres Landes für sich gepachtet . Den Kapitalisten winlt er , zu neuen Kuretablissements kein Geld mehr h erzugeben . Das weiden ste sich aber kaum sehr zu Heizen

eben Herr Pivot mit einem Stock um die Ecke , also hinein mit Dir , wenn Dir Dein Fell lieb ist , Und ohne Harrys Antwort abzuwarten , schob er ihn in dcn Wagen , schloß die Thüre , schwang sich ans den Bock und bevor der arme Junge sich von feinem Schrecken erholte , rollte die Droschke den Broadway entlang . O e f » n g e n . „ Wohin gehen wir ? fragte Harry nach einiger Zeit . „ In mein Haus , antwortete Katc , welche der Lefer wohl bereits erkannt hüben wird . „ Du sollst bei mir bleiben . „ Besorgen Sie anch Leichen , wie Herr Pivot ? „ Wllrnm nicht gar ; ich bin einc Dnme und habe kein Gefchäft , „ Was soll ich dann machen ? Doch keine Schuhe ? Kllte lachte . „ Nein , nein , Du sollst die Schule besuchen nnd ein Gentleman werden .

Wie das anzufangen fei , war dem Iungen freilich ein Räthfel , aber er hielt es doch für besser , als geprügelt nnd auf die Infel zurückgebillcht zu werden . Die Dame ließ ihm auch nicht viel Zeit zum Nach

denken , sondern machte ihn auf alle Merkwürdigkeiten aufmerksam , so daß er bald Herrn Pivot vergaß nnd sich des neuen Vergnügens , in einer Droschke zu fahren und der ewig wechsclnden Umgebung freute . Die Fahrt dauerte lange . Sie hatten bereits die Stadt hinter sich und hielten endli ch vor einem großen Gebäude , das lluf einer leichten Anhöhe in der Nähe des Fluffes stand . „ Hier wohne ich , sprach die Dllme , ,, nnd dlls ist auch Deine neue Heimath . „ Das ist aber nicht New-Iort , und ich will dort leben und nicht auf dem Lande . „ Mach , daß Du ins Hllns kommst , brummte Dick Wlltkins , „ und schwatze dann . Eine Negerin öffnete grinsend die Thüre und bewillkommte ihre Herrschaft . Der Wagen fuhr rasch fort . Dick Wutkin s zerrte den Knaben in ein Zimmer , setzte sich ll orreval « uf einen Sessel und ballte ihm die Faust unter die Nnse .

„ So , nun gewöhne Dich hübfch ein und folge , dann soll Dir s nicht schlecht gehen . Frage nichts , gehe nie allein aus und betrage Dich ordentlich . Vor Allem aber brauche keine Kniffe .

nehmen . Die Epistel sieht zu mißgünstig aus unb so lange die Alpenluft derart gesund ift und immer gesuchter wird , werden andere Leute eS sich nicht nehmen lassen , trotz dem allerhöchsten Mißfallen jenes Einsenders eben auch Hotelanlagen zu erstellen , wo dies ihnen passend scheint . Eine schöne Empfehlung für die Hoteliers an der Englldinerroute ist im „ Tagblatt zu lefen . Die indifche Karawane fei in einem bekannten Hotel fchwer „ gerupft worden : c . Damit nicht alle Wirthe auf diefer Route dem Verdacht ausgefetzt feien , es betreffe sie , wäre es doch wohl gut , wenn die „ Rupfer deutlicher bezeichnet würden ! Bonaduz . ( Korr . ) Seit Ende Mm stehen die Sägemühlen im sogenannten „ Farsch nächst der obern Brücke bei Reichenau stille . Die Schwellwuhren , die behufs Herbeileitung des Wassers aus dem Vorderrhein in den Kanal des Etablissements schon vor mehreren Dezennien erstellt worden waren , sind in den letzten Jahren , da der Ertrag der Werke sich stark reduzirt hatte , mangelhaft unterhalten und nun zum Theil weggeschwemmt worden . Der Rest wirb wohl beim nächsten Hochwasser folgen .

An dieses Etablissement knüpft sich ein gut Stück Geschichte der benachbarten Dörfer . Seit 50 bis 60 Jahren , da es in Betrieb war , wurden hier Millionen Franken einzig an Arbeitslöhnen ausgezahlt . Mancher Pächter oder höhere Angestellte hat da sein Vermögen gemacht , einzelne freilich fanden auch ihren Ruin . Hunderte von Familien haben dort während Jahrzehnten ihr Brod verdient , nicht bloS im Farfch felber , sondern auch durch Zurüften des Handelsholzes und durch den Transport desselben nach unb vom Etablissement . Dutzende blühender , rüstiger Männer haben in den Wäldern und beim Flößen des vorgearbeiteten Holzes einen gewaltsamen Tod durch Verunglückung gefunden . Der Farsch war für die Umgebung eine wahre Goldgrube . Aber der Teufel hatte auch hier , wie überall an ähnlichen Orten , eine d . h . gar viele Kapellen gebaut . Die Wirtschaften fchossen wie Pilze aus der Erde und der Sonntag währte häufig zwei Tage . Manche Familie hätte über die Folgen ein Lied singen können . Der Verdienst hat zum großem Theil schon längst aufgehört und die Bevölkerung sich andern Erwerben zugewendet . Durch das Wegsvühlen des betreffenden Wuhres dürfte die Fifcherei im Vorderrhein gewinnen . Dasselbe erschwerte den Fischen die Passage und man dachte daran , dort eine Fischtreppe anzubringen . Das dürfte nunmehr überflüssig sein .

Pontresina . §§ Am 27 . dies verursachte hier das räthselhafte Verfchwinden eines Gastes aus Berlin große Beunruhigung . Derfelbe war nach dem Morgenkaffee ohne Reifestock und Ueberzieher ausgegangen und am 28 . noch nicht zurückgekehrt . Man befürchtete , daß er auf einer botanifchen Exkursion verunglückt sei . Der besorgte Präsident des Führervereins ließ schon am 28 . durch mehrere Führer die nahe Gegend absuchen und requirirte auf den 29 . sämmtliche Führer , selbst die , welche Touren versprochen hatten , zu gleichem Zwecke . Da langte Abends spät vom Betreffenden Nachricht von Eleven ein , daß er sich dort befinde . Obgleich man sich darüber freute , daß der Gesuchte gesund und wohl sei , war man über sein sonderbares Benehmen doch nicht besonders erbaut . Die Führer hatten darüber einen für sie kostbaren Tag verloren , da natürlich alle Bestellungen abgesagt worden waren .

Bei diesem Falle hat es sich so recht gezeigt , daß der Führerverein seine Aufgabe richtig erfaßt hat . Er strebt nicht nach einem „ Taglohn allein , ift nicht blos für die , die fich ihm anvertrauen , fondern um die Fremden überhaupt besorgt . Solchen Führern darf fich jeder Tourist ohne Bedenken anvertrauen . Im nahen Silvaplana ereignete sich ein tragischer Fall . Ein Ehepaar aus Deutschland , wovon der eine Theil unter auffälligen Verumftändungen unb in Begleitung auf der Flucht unb der andere auf der Suche war , traf sich am Donnerstag in Silva » plana . Nach kurzer Nuseinanderfetzung schoß fich die junge Frau eine Kugel durch den Kopf . Wir verzichten gern auf die Anführung weiterer Details und bemerken nur , daß es sich um einen jener Fälle handelt , bei welchen es dem einen Theil an Charakter und dem andern an sittliche « Halt fehlt — das Ende eines neumodischen Romanes . Difentis . Alt-Geschworner Iof . Capeder ift am 27 . d . im hohen Alter von 94 Jahren gestorben . Derfelbe war wohl die letzte Perfönlichleit , welche aus eigener Beobachtung vom sog . Franzosenkrieg zu erzählen wußte , waS er gern und oft that . Daß er eine populäre Persönlichkeit war , das bezeugt auch die Thatsache , daß er nicht weniger als 6 » Pathenlinder hatte .

Von der Albula . Nächstens feiern drei junge lath . Priester ihre Primiz : Herr Sigron am 31 . Juli in Tiefenlaftels , Herr Simonett am 7 . August in Obervatz und Herr Simeon am 15 . August in Alveneu . Letzterer ift der achte Primiziant von Alveneu im Zeitraum von 50 Jahren . Ragaz . In Ragaz starb Hr . Buchdrucker Lehmann , Herausgeber des „ Oberländer Anzeiger . Gebürtig aus Stötteritz bei Leipzig , war er feit 1861 Besitzer der Buchdruckerei in Ragaz . Der „ Anzeiger widmet ihm einen freundlichen Nachruf , Polemifches . * Furchtbar protzig und grob wie ein Stallknecht antwortet das in unserm Leitartikel in Nr . 174 „ Zur bundesräthlichen Eisenbahnpolitik berührte , aber keineswegs angegriffene Bündner Blatt . Damit soll wohl die Schwäche der eigenen Position in der Sachfrage gedeckt werden . Die Glene aber ist hohl . Da wir nach sol ^ chen Proben journaliftifcher Courtoisie , die auf sehr hochgradige Erregung schließen lassen , befürchten mühten , feine Kampfstimmung zu einem ihm selbst übel bekommenden Paroxismus zu steigern , verzichten wir darauf , mit dem Blatte das Thema weiter zu erörtern . Konstatirt sei blos , daß die Annahme , als handle es sich in unserm Artikel um „ ordinäre Verlegelungspolilil im bündnerifchen Eisenbahnwesen eine ebenfo lächerliche als unwahre Unterfchiebung ift . ES scheint , der Herr Kollega leidet an fixen Ideen !

tzynr . ( : ) Für die nächsten Tage ist hier der Besuch des Zirkus Lorch angemeldet . Dieser Besuch wird unserer Stadt sicher ein recht bewegtes Leben bringen . Ueber 100 Pferde der edelsten Rassen und feiner Dressur weiden dabei verwendet ; auch zwei Elephanten und zwei Kameele werden zu sehen fein . Es ist wohl kaum anzunehmen , daß in jetziger Ferienzeit das Unternehmen der Direktion hier großen Nutzen bringen wird , umsomehr dürfte das Publilum bewogen fein , die Vorstellungen fleißig zu besuchen . Der ZilluS trifft ein am 4 . August und gibt Vorstellungen bis zum 8 . Militärisches . Am 29 . d . hat auf hiesigem

Es lag etwas so Abstoßendes und Einschüchterndes in des Mannes Wesen , daß Harry sich unwillkürlich nach Kate wandte . Sie erfaßte feine Hand , zog ihn z u sich auf s Sophll und fragte ärgerlich : „ Warum erschreckst Du den Iungen so ? „ Weil ich ihm vom Ansllnge an begreiflich machen will , daß hier keine Teufeleien getrieben werden dürfen , brummte Dick , „ Du kennst den Weich „ Schweige ! unterbrach ihn die Dame , „ es bedarf keiner Erklärungen , Sei ganz ruhig , Harry , wandte sie sich freundlich an diefen , „ der Mnnn hat grobe Manieren , aber er meint es gut . Glaube mir , wir sind Deine besten Freunde und wenn Du uns folgst , wirst Du eines Tages eine große Rolle in New-Iort spielen . Andern Falles freilich müßten wir Dich zu Herrn Pivot zunickschicken , dcr Dich dann schon zu bestrafen wissen wird .

So sanft dic Rede auch lautete , sie beruhigte den Knaben nicht ; er haßte instinktmäßig den Mann und fürchtete dlls Weib , dessen glänzende Augen ihn zu durchbohren schienen .

Die bloßen eleganten Stylisten stnd nur die Kall ! graphen dcs Verstandes .

Waffenplatz die Schiehschule für Unteroffiziere der 8 . Division begonnen . Sie dauert bis zum 27 . August . — Am morgigen Sonntag wird der deutsche Arbeiter-BildungS-Verein auf dem Vogelboden ein Waldfeft geben . Es steht zu erwarten , daß Humor und Gefälligkeit auch bei diesem Anlaß wie bei frühern Festen dieses Vereins zur Geltung lammen werden .